Geschrieben von:
Jens Bebensee
Fachdienstleiter Bauaufsicht
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Hallo René,
in der derzeit gültigen LBO wird der Begriff „Nachbargrenze“ in Kombination mit Abständen oder Abstandflächen in den Regelungen des § 6 Abs. 6 Nrn. 1c, 2c und 3, des § 31 Abs. 10 sowie des § 51 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 gebraucht.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung vom 30.10.2007 (Landtags-Drucksache 16/1675) enthält zu dem eben erwähnten § 6 Abs. 6 folgende Begründung, aus der Sie im Grunde die Antwort auf Ihre Frage ableiten können:
„…Absatz 6 regelt - wie der bisherige Absatz 7 - die Zulässigkeit untergeordneter Bauteile und Vorbauten in den Abstandflächen:
Absatz 6 Nr. 1 lässt in dem Umfang wie der bisherige Absatz 7 Dachüberstände in den Abstandflächen zu; die Regelung stellt dabei allerdings nur auf die dem jeweiligen Dachüberstand gegenüber liegenden Nachbargrenzen ab, weil die seitlichen Nachbargrenzen sowie die Grundstücksgrenze zur Straße hin mit Blick auf die abstandflächenrechtlichen Schutzziele insoweit vernachlässigbar sind.
Absatz 6 Nr. 2 Buchst. a legt - um die rechtssichere Anwendbarkeit der Regelung zu unterstützen - die abstandflächenrechtlich neutrale zulässige Breite der an einer Außenwand vorgesehenen Vorbauten auf insgesamt ein Drittel der jeweiligen Wandlänge fest. Absatz 6 Nr. 2 Buchst. b entspricht der bisherigen Rechtslage. Absatz 6 Nr. 2 Buchst. c stellt auf die dem jeweiligen Vorbau gegenüber liegenden Nachbargrenzen ab, weil die seitlichen Nachbargrenzen sowie die Grundstücksgrenze zur Straße hin mit Blick auf die abstandflächenrechtlichen Schutzziele insoweit vernachlässigbar sind.
Absatz 6 Nr. 3 ermöglicht nachträgliche Wärmeschutzmaßnahmen an bestehenden Gebäuden mit bis zu 0,20 m Dicke, wenn ein Abstand von mindestens 2,30 m zur Nachbargrenze erhalten bleibt, als konkreter Zulässigkeitstatbestand und ersetzt damit die Ermessensregelung des bisherigen Absatzes 14 Nr. 2…“
Zu § 31 Abs. 10 enthält der Gesetzentwurf folgende Begründung:
„…Absatz 10 regelt eine Erleichterung für Vorbauten; hinsichtlich des Begriffs wird auf das Abstandflächenrecht hingewiesen…“
In § 51 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ist keine Änderung eingetreten. Die Regelung entpricht dem alten § 58 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 der alten LBO.
Ein Carport ist, auch wenn er keine (Außen)Wände hat, ein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 LBO und außerdem natürlich eine Garage im Sinne des § 6 Abs. 8 Satz 2 LBO, wenn er zum Abstellen von Kraftfahrzeugen dient.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden grundsätzlich Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (beachte aber § 6 Abs. 1 Satz 4 LBO). Wo die Abstandflächen liegen müssen, bestimmt Absatz 2 der Regelung; Absatz 4 bestimmt, dass sich die Abstandflächen nach der Wandhöhe bemessen und wie die Wandhöhe zu ermitteln ist; schließlich legt Absatz 5 die genaue Tiefe der sich nach der Wandhöhe richtenden Abstandflächen fest.
Nun gibt es aber auch Anlagen, die aus bestimmten Gründen in den Abstandflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandflächen zulässig sind, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden. Dazu gehören nach § 6 Abs. 7 Satz 1 LBO beispielsweise Garagen (Nr. 1) und sonstige Gebäude ohne Aufenthaltsräume (Nr. 3). Unterschreiten diese genannten Gebäude allerdings den Abstand zur Grundstücksgrenze von 3 m, gelten allerdings die im Satz 2 des Absatzes 7 enthaltenen längen- und höhenmäßigen Beschränkungen (Gesamtlänge einschließlich Dachüberstand maximal 9 m; mittlere Wandhöhe maximal 2,75 m über der an der Grundstücksgrenze des Baugrundstücks festgelegten Geländeoberfläche, die sich nach § 2 Abs. 3 Satz 3 LBO bemisst). Auch § 6 Abs. 8 LBO enthält Anlagen, die (ohne längen- oder höhenmäßige Beschränkungen) in den Abstandflächen sowie ohne eigene Abstandflächen zulässig sind.
Im Normalfall stellt sich bei Carports also nicht die Frage, ob auf sie die Regelung des § 6 Abs. 6 LBO über Dachüberstände Anwendung findet.
Bei Carports, die keine Außenwände haben, sind diese Wände ohnehin zu fingieren. Man fällt sozusagen an den Außenseiten des Daches ein Lot, so dass es eigentlich gar keinen Dachüberstand gibt.
Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 LBO lässt sich ableiten, dass man als Bauherr/in eines Carports darauf achten muss, dass kein Grenzüberbau (beispielsweise durch einen Dachüberstand) stattfindet. Dann kann es nämlich zivilrechtliche Probleme geben (vgl. §§ 906 ff. und 1004 BGB).
Wird bei Gebäuden eine Abstandfläche ermittelt, die sich (von dem Ausnahmefall des § 6 Abs. 2 Satz 2 LBO einmal abgesehen) ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstreckt, kann man versuchen, über § 6 Abs. 2 Satz 3 LBO eine Lösung zu finden.
Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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