Geschrieben von:
Jens Bebensee
Fachdienstleiter Bauaufsicht
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Sehr geehrter Herr Trost,
systematisch muss man wie folgt vorgehen:
1. Schritt - Grundsatz der Baugenehmigungspflicht
Nach § 62 Abs. 1 LBO bedürfen
„…Die Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und die Beseitigung von Anlagen, an die in diesem Gesetz [also in der LBO] oder in Vorschriften aufgrund dieses Gesetzes [also in Verordnungen, die auf der Grundlage der LBO erlassen worden sind] Anforderungen gestellt sind, … der Baugenehmigung, soweit in den §§ 63, 68, 76 und 77 [LBO] nichts anderes bestimmt ist…“
Wir haben es nach Ihrer Beschreibung mit einer Änderung eines Gebäudes der Gebäudeklasse 4 zu tun.
Zum Begriff der Änderung im ähnlich lautenden § 54 Abs. 1 Satz 1 der Hessischen Bauordnung führt Hornmann in seinem Kommentar (2. Aufl. 2011) unter Rn. 16 u. a. aus:
„…Die Änderung umfasst jedes nicht nur unerhebliche Umbauen (Umgestalten, Einwirkung auf den vorhandenen technischen Bestand) einer baulichen Anlage innen oder außen. Sie setzt voraus, dass die bauliche Anlage im Grundsatz erhalten bleibt; anderenfalls liegt ein Abbruch vor. Dazu zählen das Vergrößern wie Anbau (auch von Balkonen) und Aufstockung, das Verkleinern – die vollständige Beseitigung ist hingegen Abbruch –, das Einbauen von Teilen (Aufzug), die Veränderung des konstruktiven Gefüges, Änderungen der äußeren Erscheinungsform wie das Anbringen oder Entfernen einer Verschieferung, der Wechsel der Putzart, das Aufbringen einer Aufschrift, das Auswechseln von Dachziegeln aus Ton gegen Betondachsteine sowie die Modernisierung…“
Danach ist der Anbau von Balkonen zunächst einmal baugenehmigungspflichtig, es sei denn, im (hier allein interessierenden) § 63 LBO ist „etwas anderes bestimmt“.
2. Schritt - Prüfung möglicher Verfahrensfreiheit nach § 63 Abs. 1 LBO
Ernsthaft in Betracht käme hier allenfalls eine Verfahrensfreiheit
a) nach Nummer 10 Buchstabe c
[„…10. folgende tragende und nichttragende Bauteile:
…
c) Außenwandverkleidungen und Verblendungen, ausgenommen bei oberirdischen Gebäuden der Gebäudeklassen 4 und 5 sowie Hochhäusern, und Verputz baulicher Anlagen…“]
b) oder nach Nummer 14 Buchstabe g
[„…14. folgende sonstige Anlagen:
…
g) andere unbedeutende Anlagen oder unbedeutende Teile von Anlagen wie Hauseingangsüberdachungen, Markisen, Rollläden, Terrassen, Maschinenfundamente, Straßenfahrzeugwaagen, Pergolen, Jägerstände, Wildfütterungen, Bienenfreistände, Taubenhäuser, Hofeinfahrten und Teppichstangen…“]
zu a)
Hier werden schon Außenwandverkleidungen und Verblendungen von der Verfahrensfreiheit ausgenommen, wenn Gebäude der Gebäudeklassen 4 oder 5 oder Hochhäuser betroffen sind.
Das muss dann ja erst recht für Balkonanbauten gelten.
zu b)
Hier geht es sowohl um unbedeutende Anlagen (selbst) als auch um unbedeutende Teile von Anlagen. Was unter diese Begriffe fallen soll, hat der Gesetzgeber in einer nicht abschließenden Aufzählung („…wie…“) aufgelistet.
Was nicht unter unbedeutende Anlagen oder unbedeutende Teile von Anlagen fällt, lässt sich beispielsweise der Kommentierung Simon/Busse, BayBO, 114. EL 2013, Art. 57 Rn. 377 entnehmen:
„…
- Das nachträgliche Anbringen oder Ändern von feststehenden Balkonen, Brüstungen, Loggien oder Umwehrungen, wodurch die Fassaden wesentlich verändert werden, ist eine genehmigungspflichtige Änderung eines Gebäudes … und nicht … genehmigungsfrei
- Balkone, ebenso fest eingebaute oder aufklappbare Dachbalkone
- Einglasen von Balkonen und Loggien, da dies die genehmigungspflichtige Änderung eines Gebäudes mit erheblichen Auswirkungen für die äußere Gestalt und die Schaffung oder Erweiterung eines Aufenthaltsraums ist; das ist auch nicht … genehmigungsfrei…“
Im Ergebnis besteht also keine bauaufsichtliche Verfahrensfreiheit.
Wie Sie richtig formulieren, ist die Balkonanlage kein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 LBO, weil sie nicht selbstständig benutzbar ist. Sie haben allerdings übersehen, dass ein Gebäude (nur) ein Unterfall einer baulichen Anlage ist. Demzufolge muss auch eine bauliche Anlage selbstständig nutzbar sein.
Was hier also geplant ist, ist eine Änderung eines Gebäudes der Gebäudeklasse 4 durch Errichtung einer Balkonanlage, die sich wegen ihrer baulichen Verbindung zum Gebäude (möglicherweise) auf dessen Standsicherheit auswirken „kann“.
Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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Geschrieben von:
Jens Bebensee
Fachdienstleiter Bauaufsicht
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Guten Tag Herr Trost,
…keine Ursache.
Mir ist nicht zwar ganz klar, was Sie mit „beruflicher Aktivität“ meinen…
Mit dem öffentlichen Baurecht habe ich beruflich seit 1981 zu tun, allerdings in verschiedenen Funktionen; in dieser Zeit war ich mehr als sieben Jahre im Rechtsamt und habe für unseren Kreis u. a. auf dem Gebiet des öffentlichen Baurechts die Widerspruchsentscheidungen getroffen und den Kreis auch vor Gericht vertreten.
Sollten Sie meine tägliche Arbeitszeit meinen - Sie wissen sicherlich: Arbeit macht Spaß oder krank, und ein Beamter ist eigentlich immer im Dienst ;-)
Beste Grüße
Jens Bebensee
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