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Thema: Verfahrensfreier Anbau

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Autor Beitrag
 Verfasst am: 25.11.2013 20:38:36 Titel: Verfahrensfreier Anbau
Sehr geehrter Herr Bebensee,

meine Partnerin hat vor ca 13 Jahren eine Doppelhaushälfte mit angebauter Garage gekauft. Die Garage ist auf der einen Seite ans Wohnhaus angebaut und steht mit der anderen Seite auf der Grundstücksgrenze direkt an der Garage des Nachbarn (Länge 6m, Breite 3m). Hinter der Garage ist bei beiden Nachbarn ein Holzschuppen mit Pappdach in gleicher Breite und 2,97m Länge angebaut, der sowohl von der Garage als auch von außen zugänglich ist. Der Schuppen dient als Fahrrad- und Geräteschuppen. Er ist nicht freistehend, sondern nach vorne an die Garage und auf der einen Seite an die Hauswand angebaut. Die Höhe beträgt durchgehend ca. 2,40m. Der umbaute Raum des Schuppen beträgt keine 30 m3. Haus und Garage sind mehr als 40 Jahre alt, das Baujahr des Schuppens ist nicht bekannt (vermutlich 70er oder 80er Jahre). Im Zusammenhang mit Anträgen auf Abweichung von der maximalen Grenzbebauung sowie der Zu- und Abfahrten für ein geplantes Carport vor der Garage (Abweichungen wurden genehmigt) hat uns die Bauaufsicht nun aufgefordert, eine Genehmigung für den Schuppenanbau vorzulegen bzw. einen Bauantrag einzureichen, da bei der Baubehörde nur die Genehmigung für die Garage vorliegt. Meiner Partnerin wurden beim Kauf keine Genehmigungen vom Voreigentümer übergeben.

Dazu habe ich nun drei Fragen:
A. Nach §63 Abs. 1 Nr. 1a) i.V.m. §2 Abs. 2 LBO 2009 wäre ein selbständig benutzbares Gebäude bis zu 30 m3 verfahrensfrei. Sehe ich das richtig, dass es sich dabei nicht um ein freistehendes Gebäude handeln muss, also auch ein Anbau, d.h. Gebäudeklasse 2 hierunter fallen würde ?
B. Könnte dann nicht auch unser Anbau nach heutigem Recht verfahrensfrei sein ?
C. Wenn der Anbau noch unter altem Recht erstellt wurde, muss dann aus heutiger Sicht nachträglich eine Baugenehmigung eingeholt werden, wenn er nach altem Recht nicht verfahrensfrei war, nach heutigem Recht aber verfahrensfrei wäre ?

Für eine Antwort möchte ich mich schon im voraus bedanken. Und vielen Dank für dieses einzigartig tolle Forum und den tollen Web-Auftritt des Kreises Stormarn. Vorbildlich !
Freundliche Grüße
Matthias Schmidt
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 Verfasst am: 14.12.2013 14:51:03 Titel: Re: Verfahrensfreier Anbau
Sehr geehrter Herr Schmidt,

zu Ihren Fragen nehme ich wie folgt Stellung:

Frage A:
Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1a) i.V.m. § 2 Abs. 2 LBO 2009 wäre ein selbstständig benutzbares Gebäude bis zu 30 m³ verfahrensfrei. Sehe ich das richtig, dass es sich dabei nicht um ein freistehendes Gebäude handeln muss, also auch ein Anbau, d.h. Gebäudeklasse 2 hierunter fallen würde?

Antwort zu A:
Ja, mit der Einschränkung, dass im Außenbereich die Grenze bei 10 m³ liegt.


Frage B:
Könnte dann nicht auch unser Anbau nach heutigem Recht verfahrensfrei sein ?

Antwort zu B:
Ja, der Schuppenanbau mit den Abmessungen 3 m x 2,97 m x 2,40 m ist nach heutigem Recht verfahrensfrei, wenn das Grundstück nicht im Außenbereich liegt.

Frage C:
Wenn der Anbau noch unter altem Recht erstellt wurde, muss dann aus heutiger Sicht nachträglich eine Baugenehmigung eingeholt werden, wenn er nach altem Recht nicht verfahrensfrei war, nach heutigem Recht aber verfahrensfrei wäre ?

Antwort zu C:

a). Vorbemerkung:

Wenn eine Bauaufsichtsbehörde von einer möglicherweise ungenehmigten Anlage erfährt, hat sie nach § 59 Abs. 1 LBO ein Ermessen, ob sie tätig werden will (sogenanntes Entschließungsermessen) und – wenn ja – wie (sogenanntes Auswahlermessen).

Will die Bauaufsichtsbehörde tätig werden und eine Bauordnungsverfügung (also einen Verwaltungsakt im Sinne der §§ 106 ff. Landesverwaltungsgesetz – LVwG -) erlassen, muss sie bestimmte „Formalien“ beachten (vergleiche dazu beispielsweise § 87 LVwG). Nach § 109 Abs. 1 LVwG ist
„Ein schriftlich … erlassener sowie ein schriftlich … bestätigter Verwaltungsakt … mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.“

Zum Begründungserfordernis von Ermessensentscheidungen im Zusammenhang mit dem Einschreiten gegen rechts- und ordnungswidrige Zustände hat das Bundesverwaltungsgericht sich in seinem Beschluss vom 28.08.1980 -4 B 67.80 – (in Baurechtssammlung Band 36 Nr. 93) folgendes klargestellt:

„Einer Begründung der "Abwägung des Für und Wider" kann es voraussetzungsgemäß nicht bedürfen, soweit es nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht einer solchen Abwägung nicht bedarf. Diese Erkenntnis wirkt sich gerade auf das ordnungsrechtliche Einschreiten aus. Denn bei einem Einschreiten gegen rechtswidrige oder auch nur ordnungswidrige Zustände stehen sich nicht in dem Sinne ein "Für und Wider" gegenüber, daß der zuständigen Behörde ohne gesetzliche Intention freigegeben wäre, zwischen dem Einschreiten und dem Nichteinschreiten zu wählen. Bei der Ermessensentscheidung über das Einschreiten gegen rechtswidrige und ordnungswidrige Zustände geht es vielmehr darum, daß die zuständige Behörde in die Lage versetzt werden soll, von dem an sich aus der Natur der Sache gerechtfertigten, ja, gebotenen Einschreiten (ausnahmsweise) absehen zu dürfen, wenn sie dies für nach den konkreten Umständen opportun hält. Angesichts dessen braucht bei der (Ermessensentscheidung) Entscheidung über das Einschreiten das "Für und Wider" nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, daß ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme, d. h. der hier (ausnahmsweise) in Kauf zu nehmenden Duldung eines rechtswidrigen oder ordnungswidrigen Zustandes, bestehen. Kommt die zuständige Behörde zu dem Ergebnis, daß es daran fehlt, enthält sie sich dementsprechend einer besonderen "Abwägung des Für und Wider" und schweigt sich infolgedessen dazu auch die ihrer Anordnung beigefügte Begründung aus, so kann allenfalls - dann nämlich, wenn die Behörde zu Unrecht zu diesem Ergebnis gekommen ist - ein Ermessensfehler, nicht aber eine mangelhafte Begründung vorliegen. Denn die Behörde braucht keine "Abwägung des Für und Wider" zu begründen, die sie nicht vorgenommen hat und nach ihrer Auffassung auch nicht vorzunehmen brauchte. Mit Rücksicht darauf ist bei einem Einschreiten gegen rechtswidrige und ordnungswidrige Zustände der Begründungspflicht regelmäßig damit genügt, daß die Behörde zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Rechtswidrigkeit oder Ordnungswidrigkeit beseitigt werden..“

Das Ermessen ist dann „auf Null reduziert“, wenn nur eine Entscheidung – nämlich die, „etwas zu unternehmen“, die richtige ist. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Bauvorhaben nachbarschützende Vorschriften, wie beispielsweise Abstandflächen nach § 6 LBO eklatant verletzt und der Nachbar rechtzeitig die Verletzung seiner Rechte geltend macht.


b) Stellungnahme

Bauordnungsrecht ist Landesrecht.

In Schleswig-Holstein kann keine Bauaufsichtsbehörde einen Bauherren oder Grundstückseigentümer durch Bauordnungsverfügung verpflichten, einen Bauantrag zu stellen. Das ist beispielsweise im Freistaat Bayern anders (vgl. Artikel 76 Satz 3 der Bayerischen Bauordnung). Die Bauaufsichtsbehörde kann einen Bauherren oder Grundstückseigentümer allenfalls verpflichten, Bauvorlagen einzureichen, die sie in die Lage versetzen, die Frage zu klären, ob die betreffende Anlage genehmigt werden könnte oder hätte genehmigt werden können.

In aller Regel prüft die Bauaufsichtsbehörde aber vor einem Einschreiten „das baurechtliche Schicksal“ der betreffenden Anlage vom Zeitpunkt ihrer Entstehung bis heute oder –anders gesagt – die Frage, ob sie zu irgendeinem merklichen Zeitpunkt dem öffentlichen Recht entsprach und damit Bestandsschutz genießt (zum Bestandsschutz siehe unter -> http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.html?bereich=1&bid=13 )..

Wenn nicht gerade § 31 Abs. 2 Nr. 1 LBO „im Raum oder Weg steht“ (die 20 m³ werden nämlich durch den Holzschuppen überschritten), müsste Ihre Frage ist mit „Nein“ beantwortet werden.

Auch von mir
freundliche Grüße
Jens Bebensee


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Zuletzt geändert am 14.12.2013 um 14:51:20 von Jens Bebensee.
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 Verfasst am: 16.12.2013 20:24:13 Titel: Re: Verfahrensfreier Anbau
Hallo Herr Bebensee,

vielen Dank für Ihre sehr ausführliche Antwort. Schade, dass in den Bauämtern nicht alle so begnadete Kenner der Materie sind wie Sie. Ich hoffe, die Antwort hat Ihnen nicht Ihr wohlverdientes Wochenende ruiniert. Sie haben uns damit sehr geholfen. Da wir ja vom Bauamt gebeten wurden, einen Bauantrag einzureichen, haben wir inzwischen ein Architektenbüro mit der Erstellung von Ansichten etc. beauftragt.

In Ihrem letzten Satz schreiben Sie §31 Abs.2 Nr. 1 LBO. Geht es dabei um eine alte Fassung der LBO ? Ich nehme an, es geht um den Brandschutz, aber in der aktuellen Fassung kann ich die 20 m3 - Grenze nicht finden. Ergibt sich diese aus einer anderen Vorschrift ?

Mit vorweihnachtlichen Grüßen,
Matthias Schmidt
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 Verfasst am: 17.12.2013 07:52:54 Titel: Re: Verfahrensfreier Anbau
Hallo Herr Schmidt,

… hat sie nicht.

Sie wissen doch: Wissen ist so ziemlich das Einzige, was sich vermehrt, indem man es teilt – und wenn man anderen weiterhelfen kann, ist das doch eine schöne Sache.

Im § 31 Abs. 2 Nr. 1 LBO konnten Sie natürlich keine 20 m³ finden, sondern nur 20 m² (Ich habe mich also nur verlesen bzw. verschrieben)
->
http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/?quelle=jlink&query=BauO+SH+%C2%A7+31&psml=bsshoprod.psml&max=true

Die Begrenzung von 20 m² finden Sie übrigens auch in der Garagenverordnung wieder, und zwar in § 11 Abs. 2 bis 4 und in § 13 Abs. 3.

Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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 Verfasst am: 17.12.2013 20:47:58 Titel: Re: Verfahrensfreier Anbau
Hallo Herr Bebensee,

vielen Dank nochmal. Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und Alles Gute für 2014.

Freundliche Grüße,
Matthias Schmidt
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 Verfasst am: 18.12.2013 07:58:42 Titel: Re: Verfahrensfreier Anbau
Hallo Herr Schidt,

keine Ursache - das wünsche ich Ihnen natürlich auch...

Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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