Sehr geehrter Herr Schmidt,
zu Ihren Fragen nehme ich wie folgt Stellung:
Frage A:
Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1a) i.V.m. § 2 Abs. 2 LBO 2009 wäre ein selbstständig benutzbares Gebäude bis zu 30 m³ verfahrensfrei. Sehe ich das richtig, dass es sich dabei nicht um ein freistehendes Gebäude handeln muss, also auch ein Anbau, d.h. Gebäudeklasse 2 hierunter fallen würde?
Antwort zu A:
Ja, mit der Einschränkung, dass im Außenbereich die Grenze bei 10 m³ liegt.
Frage B:
Könnte dann nicht auch unser Anbau nach heutigem Recht verfahrensfrei sein ?
Antwort zu B:
Ja, der Schuppenanbau mit den Abmessungen 3 m x 2,97 m x 2,40 m ist nach heutigem Recht verfahrensfrei, wenn das Grundstück nicht im Außenbereich liegt.
Frage C:
Wenn der Anbau noch unter altem Recht erstellt wurde, muss dann aus heutiger Sicht nachträglich eine Baugenehmigung eingeholt werden, wenn er nach altem Recht nicht verfahrensfrei war, nach heutigem Recht aber verfahrensfrei wäre ?
Antwort zu C:
a). Vorbemerkung:
Wenn eine Bauaufsichtsbehörde von einer möglicherweise ungenehmigten Anlage erfährt, hat sie nach § 59 Abs. 1 LBO ein Ermessen, ob sie tätig werden will (sogenanntes Entschließungsermessen) und – wenn ja – wie (sogenanntes Auswahlermessen).
Will die Bauaufsichtsbehörde tätig werden und eine Bauordnungsverfügung (also einen Verwaltungsakt im Sinne der §§ 106 ff. Landesverwaltungsgesetz – LVwG -) erlassen, muss sie bestimmte „Formalien“ beachten (vergleiche dazu beispielsweise § 87 LVwG). Nach § 109 Abs. 1 LVwG ist
„Ein schriftlich … erlassener sowie ein schriftlich … bestätigter Verwaltungsakt … mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.“
Zum Begründungserfordernis von Ermessensentscheidungen im Zusammenhang mit dem Einschreiten gegen rechts- und ordnungswidrige Zustände hat das Bundesverwaltungsgericht sich in seinem Beschluss vom 28.08.1980 -4 B 67.80 – (in Baurechtssammlung Band 36 Nr. 93) folgendes klargestellt:
„Einer Begründung der "Abwägung des Für und Wider" kann es voraussetzungsgemäß nicht bedürfen, soweit es nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht einer solchen Abwägung nicht bedarf. Diese Erkenntnis wirkt sich gerade auf das ordnungsrechtliche Einschreiten aus. Denn bei einem Einschreiten gegen rechtswidrige oder auch nur ordnungswidrige Zustände stehen sich nicht in dem Sinne ein "Für und Wider" gegenüber, daß der zuständigen Behörde ohne gesetzliche Intention freigegeben wäre, zwischen dem Einschreiten und dem Nichteinschreiten zu wählen. Bei der Ermessensentscheidung über das Einschreiten gegen rechtswidrige und ordnungswidrige Zustände geht es vielmehr darum, daß die zuständige Behörde in die Lage versetzt werden soll, von dem an sich aus der Natur der Sache gerechtfertigten, ja, gebotenen Einschreiten (ausnahmsweise) absehen zu dürfen, wenn sie dies für nach den konkreten Umständen opportun hält. Angesichts dessen braucht bei der (Ermessensentscheidung) Entscheidung über das Einschreiten das "Für und Wider" nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, daß ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme, d. h. der hier (ausnahmsweise) in Kauf zu nehmenden Duldung eines rechtswidrigen oder ordnungswidrigen Zustandes, bestehen. Kommt die zuständige Behörde zu dem Ergebnis, daß es daran fehlt, enthält sie sich dementsprechend einer besonderen "Abwägung des Für und Wider" und schweigt sich infolgedessen dazu auch die ihrer Anordnung beigefügte Begründung aus, so kann allenfalls - dann nämlich, wenn die Behörde zu Unrecht zu diesem Ergebnis gekommen ist - ein Ermessensfehler, nicht aber eine mangelhafte Begründung vorliegen. Denn die Behörde braucht keine "Abwägung des Für und Wider" zu begründen, die sie nicht vorgenommen hat und nach ihrer Auffassung auch nicht vorzunehmen brauchte. Mit Rücksicht darauf ist bei einem Einschreiten gegen rechtswidrige und ordnungswidrige Zustände der Begründungspflicht regelmäßig damit genügt, daß die Behörde zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Rechtswidrigkeit oder Ordnungswidrigkeit beseitigt werden..“
Das Ermessen ist dann „auf Null reduziert“, wenn nur eine Entscheidung – nämlich die, „etwas zu unternehmen“, die richtige ist. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Bauvorhaben nachbarschützende Vorschriften, wie beispielsweise Abstandflächen nach § 6 LBO eklatant verletzt und der Nachbar rechtzeitig die Verletzung seiner Rechte geltend macht.
b) Stellungnahme
Bauordnungsrecht ist Landesrecht.
In Schleswig-Holstein kann keine Bauaufsichtsbehörde einen Bauherren oder Grundstückseigentümer durch Bauordnungsverfügung verpflichten, einen Bauantrag zu stellen. Das ist beispielsweise im Freistaat Bayern anders (vgl. Artikel 76 Satz 3 der Bayerischen Bauordnung). Die Bauaufsichtsbehörde kann einen Bauherren oder Grundstückseigentümer allenfalls verpflichten, Bauvorlagen einzureichen, die sie in die Lage versetzen, die Frage zu klären, ob die betreffende Anlage genehmigt werden könnte oder hätte genehmigt werden können.
In aller Regel prüft die Bauaufsichtsbehörde aber vor einem Einschreiten „das baurechtliche Schicksal“ der betreffenden Anlage vom Zeitpunkt ihrer Entstehung bis heute oder –anders gesagt – die Frage, ob sie zu irgendeinem merklichen Zeitpunkt dem öffentlichen Recht entsprach und damit Bestandsschutz genießt (zum Bestandsschutz siehe unter ->
http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.html?bereich=1&bid=13 )..
Wenn nicht gerade § 31 Abs. 2 Nr. 1 LBO „im Raum oder Weg steht“ (die 20 m³ werden nämlich durch den Holzschuppen überschritten), müsste Ihre Frage ist mit „Nein“ beantwortet werden.
Auch von mir
freundliche Grüße
Jens Bebensee
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Zuletzt geändert am 14.12.2013 um 14:51:20 von Jens Bebensee.