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Thema: Carport direkt neben erhaltenswertem Baum

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Autor Beitrag
 Verfasst am: 01.07.2012 20:55:45 Titel: Carport direkt neben erhaltenswertem Baum
Hallo,

mein lieber Nachbar baut gerade einen Carport auf seinem Grundstück.
Kein Problem, nur er setzt diesen in 1m Abstand zu dem Stamm eines im Bebauungsplan als besonders schützenswert eingetragenen Baum.
Eine großflächige (>100m²) Pflasterung geht im Abstand von eben auch diesem 1m am Stamm vorbei.
Im Bebauungsplan ist der Bereich um den Baum speziell als nicht bebaubar markiert.
Ich mache mir ernsthafte Sorgen um den Baum. Er leidet sowieso schon unter der Trockenheit der letzten Jahre.
Ich will gerne mit dem Nachbarn darüber reden, es wäre jedoch vielleicht vorteilhaft für den Baum vorher genau über die Situation informiert zu sein.

Ist die Bebauung mit einem Carport + Pflasterung so nah an einem eingetragenen erhaltenswerten Baum erlaubt?

Gruß, Matthias
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 Verfasst am: 07.07.2012 11:06:20 Titel: Re: Carport direkt neben erhaltenswertem Baum
Hallo Matthias,

nach Ihren Schilderungen lässt sich zur Sache „aus der Ferne“ nur folgendes sagen:

Rechtsgrundlage für die Festsetzung durch die Stadt/Gemeinde dürfte § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB sein (siehe -> http://dejure.org/gesetze/BauGB/9.html ; ein Blick in die Legende/Zeichenerklärung des maßgeblichen Bebauungsplans wird hier Klarheit schaffen). Danach können im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden
„…für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen…Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern…“

Augenscheinlich prägt der Baum(bestand) den Charakter des Gebietes und soll deswegen erhalten werden.


Ordnungswidrig handelt nach § 213 Abs. 1 Nr. 3 BauGB (nur), wer
„…einer in einem Bebauungsplan nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchstabe b BauGB festgesetzten Bindung für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern dadurch zuwiderhandelt, dass diese beseitigt, w e s e n t l i c h beeinträchtigt oder zerstört werden…“
(siehe -> http://dejure.org/gesetze/BauGB/213.html ).

Unabhängig davon, dass in diesem Falle nach § 10 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nur v o r s ä t z l i c h e s Handeln geahndet werden könnte (siehe -> http://dejure.org/gesetze/OWiG/10.html ), stellt sich die Frage, ob die Baumaßnahme den geschützten Baum(bestand) „wesentlich“ beeinträchtigt.

Die Kommentierung Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, (103. Erg.-Lfg. 2012) führt zu § 213 BauGB unter Rn. 13 u.a. aus:
„…Eine wesentliche Beeinträchtigung eines Baumes dürfte vorliegen, wenn bei Verlegung unterirdischer Leitungen ein Teil seiner Wurzeln abgeschnitten wird und er deshalb halbseitig abstirbt (Beispiel von Fislake in Berl. Komm., § 213 Rn. 11)...“

Zuständige Behörde zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 213 BauGB sind in Schleswig-Holstein die Landrätinnen/Landräte der Kreise und die Bürgermeister/innen der Städte über 20.000 Einwohner/innen. Das ergibt sich aus Abschnitt 2.2.1.1 des Zuständigkeitsverzeichnisses zur Ordnungswidrigkeiten-Zuständigkeitsverordnung (siehe -> http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/?quelle=jlink&query=OWiZustV+SH&psml=bsshoprod.psml&max=true&aiz=true , hoffentlich funktioniert der Link).


Bauordnungsrechtlich ist der Carport verfahrensfrei, wenn er die Vorgaben des § 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b LBO SH beachtet; im 3-m-Grenzbereich müsste er also die längen- und höhenmäßigen Beschränkungen des § 6 Abs. 7 Satz 2 LBO SH beachten.


Bauplanungsrechtlich steht möglicherweise der § 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchstabe b BauGB „im Weg“ mit der Folge, dass der Carport – auch wenn er an sich unter den Katalog der verfahrensfreien Anlagen fällt - nur über eine schriftlich zu beantragende und von der Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Stadt/Gemeinde zu erteilende Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB realisiert werden könnte (vgl. auch § 71 Abs. 2 Satz 2 LBO SH). Befreiungen sind Ermessensentscheidungen, die die Möglichkeit bieten, den Bauherrinnen und Bauherren im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen Nebenbestimmungen aufzuerlegen (z. B. Auflage, die Stellfläche mit Rasengittersteinen oder sonstigem wasserdurchlässigen Material herzustellen).

Ein Beispiel, wie man es eigentlich „richtig“ macht, finden Sie in diesem Informationsblatt zum Baumschutz auf Baustellen ->http://formulare.landkreis-muenchen.de/cdm/cfs/eject/gen?MANDANTID=1&FORMID=2349 .


Interessant aus bauplanungsrechtlicher Sicht sind unter Umständen auch die §§ 12 und 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO (siehe -> http://dejure.org/gesetze/BauNVO/12.html und -> http://dejure.org/gesetze/BauNVO/23.html ).

§ 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO regelt den Umgang mit baulichen Anlagen außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen(z. B. Baugrenzen).

Nur wenn der Bebauungsplan für die nicht überbaubaren Grundstücksflächen keine „anderweitige“ Festsetzung trifft, k ö n n e n dort nach Landesrecht in den Abstandflächen zulässige Anlagen (z.B. Garagen) z u g e l a s s e n w e r d e n . Die Entscheidung über die Zulassung trifft die zuständige Bauaufsichtsbehörde. Ein Einvernehmen der Stadt/Gemeinde ist in diesem Falle nicht erforderlich.


Noch etwas zu Ihren Rechten als Nachbar aus öffentlich-rechtlicher Sicht:
Bis auf die längen- und höhenmäßigen Beschränkungen im § 6 Abs. 7 Satz 2 LBO vermitteln die angesprochenen Regelungen in diesem Falle keinen Nachbarschutz.

Anders gesagt:
Sie persönlich hätten als Nachbar (Grundstückseigentümer) keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Bauaufsichtsbehörde auf einen Antrag von Ihnen hin tätig würde (siehe -> http://www.kreis-stormarn.de/service/lvw/leistungen/index.php?bereich=1&lid=61 ). Die Bauaufsichtsbehörde könnte allerdings auf eine entsprechende Anregung von Ihnen hin aus öffentlichem Interesse tätig werden, die Sach- und Rechtslage prüfen und dann ggf. einschreiten.

Natürlich hat auch die Stadt/Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit und damit Recht setzende Instanz die Möglichkeit, sich in dieser Sache an die Bauaufsichtsbehörde zu wenden.


Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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