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Thema: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand

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Autor Beitrag
 Verfasst am: 19.04.2012 21:05:49 Titel: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand
Hallo Bauamtsteam!
Das Thema Staffelgeschoss ist ausreichend diskutiert und soweit klar. Was mich interessiert ist, dass die LBO zwar sagt, dass das Staffelgeschoss gegenüber mindestens einer Außenwand zurücktreten muss, nicht aber auf welcher Länge. Im Kurzkommentar finde ich hierzu nichts, erst der Langkommentar offenbart, dass das Staffelgeschoss über die gesamte Länge zurückspringen muss.
Inwieweit ist ein Kommentar bindend, wenn die LBO nicht eindeutig ist? Und rein rechnerisch das Staffelgeschoss nachgewiesen werden kann ohne dass die Außenwand über die gesamte Länge verspringt.

In meinem Fall habe ich ein Gebäude aus zwei parallelen Riegel. Beide Riegel bilden das EG. Ein Riegel ist auf jew. beiden Seiten 1 m kürzer als der andere Riegel (aus gestalterischen Gründen). Der kürzere Riegel ist eingeschossig mit Flachdach. Der andere Riegel nimmt oben die Kubatur des darunter liegenden Riegels auf und ist rein rechnerisch ein Staffelgeschoss (und auch kein Vollgeschoss) mit Pultdach. Lt. Langkommentar müssten beide Riegel gleich lang sein oder ist das Ermessensache? Und eben die Frage, ob der Kommentar bindend ist.
Danke im Voraus!

Und großes Lob für dieses Forum!
Grüße aus Kiel....da können sich die Landeshauptstädter etwas von abschneiden!
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 Verfasst am: 29.04.2012 11:13:59 Titel: Re: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand
Hallo Kielerin,

herzlichen Dank für die aufmunternden Worte.

Nach meinem Verständnis beschreiben Sie ein Gebäude, das im Erdgeschoss eine T-Form hat und im Dachgeschoss eine I-Form.

Systematisch betrachtet ist ein Gebäude ein Unterfall einer baulichen Anlage und ein Geschoss ein Unterfall eines Gebäudes. Was ein Geschoss ist, habe ich unter -> http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.html?bereich=3&bid=176 beschrieben.


Mir stellt sich zunächst die Frage, ob die „beiden Riegel“ ein oder zwei Gebäude sind…

Der bauordnungsrechtliche Begriff des Gebäudes ist im § 2 Abs. 2 LBO definiert (siehe im Einzelnen -> http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.html?bereich=3&bid=121 ).

Haben wir es – wovon ich eigentlich ausgehe - insgesamt mit (nur) einem Gebäude zu tun, bildet das Obergeschoss aus meiner Sicht kein Staffelgeschoss:

Nach § 2 Abs. 6 und 7 LBO SH sind
„…(6) Geschosse … oberirdische Geschosse, wenn ihre Deckenoberkanten im Mittel mehr als 1,40 m über die festgelegte Geländeoberfläche hinausragen; im Übrigen sind sie Kellergeschosse. Oberirdische Geschosse sind S t a f f e l g e s c h o s s e , wenn sie gegenüber mindestens einer Außenwand des j e w e i l s darunter liegenden Geschosses um mindestens zwei Drittel ihrer Wandhöhe zurücktreten. Hohlräume zwischen der obersten Decke und der Bedachung, in denen Aufenthaltsräume nicht möglich sind, sind keine Geschosse.
(7) Vollgeschosse sind oberirdische Geschosse, wenn sie über mindestens drei Viertel ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m haben, S t a f f e l g e s c h o s s e sind Vollgeschosse, wenn sie über mindestens drei Viertel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses eine Höhe von mindestens 2,30 m haben; die Höhe der Geschosse wird von der Oberkante des Fußbodens bis zur Oberkante des Fußbodens der darüber liegenden Decke, bei Geschossen mit Dachflächen bis zur Oberkante der Dachhaut gemessen…“

Für mich ist der Wortlaut im § 2 Abs. 6 Satz 2 LBO „…gegenüber m i n d e s t e n s einer Außenwand des j e w e i l s darunter liegenden G e s c h o s s e s…“ eindeutig.

Nach meiner Erinnerung wollte man ursprünglich Staffelgeschosse gegenüber Geschossen unter geneigten Dächern nicht benachteiligen und hatte Regelungen eingeführt, bei denen – sehr vereinfacht gesagt – ein Staffelgeschoss noch unter ein Satteldach „passen“ würde. Schleswig-Holstein hat später die Erleichterung eingeführt, dass (nur – aber auch -) mindestens eine Außenwand einen Rücksprung machen muss.


Bei eindeutigen rechtlichen Regelungen und „bestimmten Rechtsbegriffen“ (z. B. im Gesetz definierten Begriffen, vgl. etwa § 2 LBO SH) benötigt man normalerweise keinen Kommentar.

Bei sogenannten „unbestimmten Rechtsbegriffen“, die immer auf der Tatbestandsseite stehen („Wenn…“), ist ein Kommentar und vielfach auch die Begründung des Gesetzentwurfs (zur LBO 2009 siehe -> http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl16/drucks/1600/drucksache-16-1675.pdf ab Seite 130) hilfreich, denn diese bedürfen der Auslegung durch die Behörden und werden von den Verwaltungsgerichten auch voll umfänglich überprüft (vgl. § 113 VwGO unter -> http://dejure.org/gesetze/VwGO/113.html ). Zu den unbestimmten Rechtsbegriffen gehören beispielsweise die aus § 34 Abs. 1 BauGB herauszulesenden Begriffe „im Zusammenhang bebaut“, „Bebauung“, „Ortsteil“, „Eigenart der näheren Umgebung“, „sich einfügen“. Die Gerichte ziehen vielfach dann auch Kommentare zu Rate.

Ermessensentscheidungen hingegen stehen auf der Rechtsfolgeseite (z. B. „…dann kann…“) und sind nur eigeschränkt gerichtlich überprüfbar (vgl. § 114 VwGO unter -> http://dejure.org/gesetze/VwGO/114.html )


Mit einer Ermessensentscheidung haben wir es hier nicht zu tun.


Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee


---
Zuletzt geändert am 29.04.2012 um 11:18:30 von Jens Bebensee.
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 Verfasst am: 04.05.2012 14:55:47 Titel: Re: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand
Hallo Herr Bebensee,

vielen Dank für Ihre umfassende Antwort. Danke auch für den link zur Begründung des Gesetzentwurfs. Der ist sehr hilfreich.
Ich werde meinen Entwurf entsprechend anpassen.

Nochmals Vielen Dank und ein schönes Wochenende!
Grüße aus Kiel
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 Verfasst am: 04.05.2012 18:21:41 Titel: Re: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand
Hallo Kielerin,

...keine Ursache !

Auch Ihnen ein schönes Wochenende, viel Spaß beim Planen
und einen lieben Gruß

Jens Bebensee
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 Verfasst am: 12.06.2012 23:01:40 Titel: Re: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand
Hallo Herr Bebensee,

den Lob der Kielerin kann ich nur unterstreichen. Erstaunlich, was man hier lernen kann und wie konstruktiv Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen helfen. Das ist echt toll.

Ich habe Ihre Antwort noch nicht ganz verstanden. Bei einem Viereck ist die Sache einfach. Da muss für ein Staffelgeschoss an einer Seite die Außenwand des Staffelgeschosses entsprechend 2/3 der Wandhöhe zurückspringen.

Was ist aber wenn man an so ein I-förmiges Gebäude einen "Anbau" anhängt und es dadurch L-förmig wird? Man könnte nun die Ansicht vertreten, dass so ein L sechs Außenwände hat. Wenn man als zweites Geschoss nun das ursprüngliche I aufsetzt (und es von den Flächen her passt), wäre eine Außenwand des L komplett zurück gesprungen. Ist das I nun ein Staffelgeschoss?

Beste Grüße!



Für mich ist noch ein wenig offen, ob man z.B. ein L- fömiges Gebäude bauen dürfte und hier dann das Staffelgeschoss das gesamte I ausfüllen würde.
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 Verfasst am: 17.06.2012 12:26:53 Titel: Re: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand
Hallo Herr Willert,

auch Ihnen besten Dank für das Lob.

Ja, bei einem viereckigen Gebäude müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit wir es mit einem Staffelgeschoss zu tun haben, das KEIN Vollgeschoss ist:

1.
Das Geschoss muss gegenüber MINDESTENS einer Außenwand des (jeweils) darunter liegenden Geschosses um MINDESTENS zwei Drittel seiner Wandhöhe zurücktreten.

2.
Das Geschoss darf nur über weniger als drei Viertel der Grundfläche DES DARUNTER LIEGENDEN Geschosses eine Mindesthöhe von 2,30 m haben. Gemessen wird die Höhe von der Oberkante des Fußbodens des (Staffel)Geschosses bis zur Oberkante des Fußbodens der darüber liegenden Decke, bei Geschossen mit Dachflächen bis zur Oberkante der Dachhaut.



Ein Gebäude in L-Form hat in der Tat sechs Außenwände.

Meiner Ansicht nach ist das von Ihnen beschriebene I-förmige Geschoss ein Staffelgeschoss im Sinne der Ziffer 1.

Sind darüber hinaus die Voraussetzungen der Ziffer 2 erfüllt, ist dieses Staffelgeschoss kein Vollgeschoss. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein L-förmiges Erdgeschoss eine Grundfläche von 100 m² hat und das darüber liegende I-förmige (Staffel)Geschoss eine Grundfläche von weniger als 75 m².


Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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 Verfasst am: 25.06.2012 12:17:14 Titel: Re: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand
Hallo Herr Bebensee,

vielen Dank!

Gibt es eigentlich eine Legaldefinition von Außenwand - oder kann man da noch unterschiedlicher Ansicht darüber sein, was eine Außenwand ist?

Beste Grüße,
Sven Willert
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 Verfasst am: 25.06.2012 15:06:30 Titel: Re: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand
Sehr geehrter Herr Willert,

eine Legaldefinition der Außenwand stünde vermutlich im § 2 der Landesbauordnung Schleswig-Holstein (LBO SH), in dem beispielsweise auch die Begriffe (bauliche) Anlagen, Gebäude, Höhe, festgelegte Geländeoberfläche, Aufenthaltsräume, Garagen, Stellplätze usw. definiert sind.

Nach der Kommentierung Domning/Möller/Suttkus, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein (3. Aufl., 13. Lfg. – Stand 01.01.2012 -) zu § 6 LBO sind
„…Außenwände von Gebäuden … die über der festgelegten Geländeoberfläche liegenden Wände, die von außen sichtbar sind. Bei vortretenden Bauteilen, wie Pfeilern oder Gesimsen, ist zu ermitteln, ob diese die Voraussetzungen des Absatzes 6 erfüllen und innerhalb der Abstandfläche vor der Außenwand liegen dürfen…“

Nach dem Beschluss des 7. Senats des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17.11.2009 – 7 B 1350/09 – sind
„…Außenwände im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW … die über der Geländeoberfläche liegenden Wände, die von außen sichtbar sind und die das Gebäude gegen die Außenluft abschließen. Dieser Begriff ist Relativierungen, die sich an der Schutzwürdigkeit des jeweils betroffenen Nachbarn im Einzelfall orientieren, nicht zugänglich…“
(siehe unter -> http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2009/7_B_1350_09beschluss20091117.html )


In der Kommentierung Simon/Busse, Bayerische Bauordnung (107. Erg.-Lfg. 2012) wird zu Art. 6 BayBO unter Rn. 9f. ergänzt:

„…Bei Gebäuden [Ergänzung durch den Unterzeichner: die nach § 2 Abs. 2 LBO SH lediglich überdeckt sein müssen], bei denen Außenwände ganz oder teilweise fehlen, sind diese zu fingieren, z. B. wenn die Außenwand durch Pfeiler oder Stützen gebildet wird oder bei offenen, überdachten Carports; hierdurch wird der Eindruck eines Raumes vermittelt..
Bei Gebäuden mit weit vorgezogenen Dächern z.B. mit überdachten Terrassen oder mit ausladenden Dachvorsprüngen, die von Pfeilern gestützt werden („Säulenumgang“), ist als Außenwand, von der aus die Abstandsflächen zu bemessen sind, nicht die zurückgesetzte raumabschließende Wand, sondern der Abschluss des offenen „Raumes“ anzusehen. Das ist zur Sicherung der Belichtung notwendig…“


Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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 Verfasst am: 12.07.2012 20:57:16 Titel: Re: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand
Hallo Herr Bebensee,

ich bin gerade etwas verwirrt, da ich dachte, ich hätte ihre Antwort verstanden. Was mich verwundert ist, dass ein L 6 Außenwände hat, ein T aber scheinbar nicht 8, quasi ein verschobenes L ist. Klingt jetzt vielleicht komisch, aber wieso gilt für ein L etwas anderes als für ein T? Denn bei einem T im EG verspringt doch bei einem I im DG auch doch mindestens eine Außenwand.....oder bin ich falsch davor?

Viele Grüße aus Kiel!
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 Verfasst am: 14.07.2012 15:35:35 Titel: Re: Staffelgeschoss/ Länge Außenwand
Hallo Kielerin,

da mir keine Skizze vorliegt, kann ich nicht ausschließen, dass ich Ihre Beschreibung falsch verstanden habe.

Was ein Segen, dass zu Baugenehmigungen immer auch Lagepläne und Bauzeichnungen gehören…

Sagen wir es mal so:
Ein „T“-förmiges Gebäude hat üblicherweise acht Außenwände. Fraglich ist natürlich, ob bei jeder denkbaren Fallkonstellation noch der Gesetzeszweck erfüllt wird – dies insbesondere bei gering dimensionierten (sehr schmalen) Außenwänden.

Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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