Hallo Herr Willert,
die b u n d e s r e c h t l i c h e Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ermächtigt eine Stadt oder Gemeinde, in einem Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen u. a. das Maß der baulichen Nutzung festzusetzen (siehe ->
http://dejure.org/gesetze/BauGB/9.html ). Vorschriften über das Maß der baulichen Nutzung und seine Berechnung enthält der zweite Abschnitt der BauNVO (§§ 16 bis 21a), die auf der Grundlage des § 9a Nrn. 1 bis 4 BauGB (siehe ->
http://dejure.org/gesetze/BauGB/9a.html ) erlassen worden ist.
Das Maß der baulichen Nutzung kann im Bebauungsplan u. a bestimmt werden durch die Zahl der Vollgeschosse (§ 16 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO unter ->
http://dejure.org/gesetze/BauNVO/16.html ).
Nun bestimmt § 20 Abs. 1 BauNVO, dass als Vollgeschosse Geschosse gelten, die nach l a n d e s r e c h t l i c h e n Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden (siehe ->
http://dejure.org/gesetze/BauNVO/20.html ).
Die Bauordnungen der Bundesländer definieren zum Teil die Begriffe des Vollgeschosses (und des Staffelgeschosses) unterschiedlich.
So sind beispielsweise nach § 2 Abs. 11 der Berliner Bauordnung
„…Vollgeschosse … Geschosse, deren Oberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ein gegenüber den Außenwänden zurückgesetztes o b e r s t e s Geschoss (Staffelgeschoss) und Geschosse im Dachraum sind nur dann Vollgeschosse, wenn sie die lichte Höhe gemäß Satz 1 über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses haben…“
und nach § 2 Abs. 5 der Bauordnung für das Saarland
„…Vollgeschosse sind Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ein Geschoss im Dachraum und ein gegenüber mindestens einer Außenwand des Gebäudes zurückgesetztes o b e r s t e s Geschoss (Staffelgeschoss) ist ein Vollgeschoss, wenn es diese Höhe über mindestens drei Viertel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses hat.3Garagengeschosse sind Vollgeschosse, wenn sie im Mittel mehr als 2 m über die Geländeoberfläche hinausragen…“
In beiden Fällen ist von einem zurückgesetzten o b e r s t e n Geschoss die Rede. Eine ähnliche Regelung enthält auch § 2 Abs. 5 der Bauordnung Nordrhein-Westfalen.
Schleswig-Holstein hingegen definiert im § 2 Abs. 6 und 7 LBO:
„…(6) Geschosse sind oberirdische Geschosse, wenn ihre Deckenoberkanten im Mittel mehr als 1,40 m über die festgelegte Geländeoberfläche hinausragen; im Übrigen sind sie Kellergeschosse. Oberirdische Geschosse sind S t a f f e l g e s c h o s s e , wenn sie gegenüber mindestens einer Außenwand des j e w e i l s darunter liegenden Geschosses um mindestens zwei Drittel ihrer Wandhöhe zurücktreten. Hohlräume zwischen der obersten Decke und der Bedachung, in denen Aufenthaltsräume nicht möglich sind, sind keine Geschosse.
(7) Vollgeschosse sind oberirdische Geschosse, wenn sie über mindestens drei Viertel ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m haben, S t a f f e l g e s c h o s s e sind Vollgeschosse, wenn sie über mindestens drei Viertel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses eine Höhe von mindestens 2,30 m haben; die Höhe der Geschosse wird von der Oberkante des Fußbodens bis zur Oberkante des Fußbodens der darüber liegenden Decke, bei Geschossen mit Dachflächen bis zur Oberkante der Dachhaut gemessen…“
Der schleswig-holsteinische Gesetzgeber geht danach nicht zwingend davon aus, dass ein Staffelgeschoss ein oberstes Geschoss sein muss.
So lässt sich die Verwirrung Ihrer Architektin vermutlich erklären.
Noch zwei Hinweise:
1.
Für Hamburg habe ich diese Seite gefunden (siehe Abschnitt 5.7 und Schnittzeichnungen):
->
http://www.hamburg.de/contentblob/2104662/data/05-mass-der-baulichen-nutzung.pdf
2.
Nach einem Referentenentwurf aus dem Bundesbauministerium vom 14.02.2012 soll der Begriff des Vollgeschosses künftig bundesrechtlich einheitlich definiert werden, siehe § 20 auf Seite 35 unter
->
http://www.kreis-stormarn.de/lvw/forms/5/53/Referentenentwurf_BauGB_u_BauNVO_20120214.pdf
Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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Zuletzt geändert am 28.04.2012 um 15:54:37 von Jens Bebensee.