Hallo Herr Winkel,
da haben Sie sich aber ganz schön viel Mühe gemacht.
Auch ich bin bei meinen Recherchen zur Frage, wann wir es mit einem „Staffelgeschoss“ und wann mit einem „Staffelgeschoss als Vollgeschoss“ zu tun haben, zu dem Ergebnis gekommen, dass Schleswig-Holstein sich im Gesetzestext nicht so genau ausgedrückt hat, ob Staffelgeschosse nur als oberste Geschosse von Gebäuden möglich sind.
Nach der Landesbauordnung aus dem Jahre 1983 waren Staffelgeschosse noch Vollgeschosse (siehe § 2 Absatz 4 auf Seite88 unter ->
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/XQQGVB835.pdf )
Die Landesbauordnung 1994 verlangte noch, dass Staffelgeschosse an jeder Wand zurückspringen mussten (siehe § 2 Absätze 4 und 5 auf Seite 243 unter ->
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/XQQGVB949.pdf ).
Mit der am 01.03.2000 in Kraft getretenen Landesbauordnung 2000 wurden im § 2 das „Staffelgeschoss“ und das „Staffelgeschoss als Vollgeschoss“ neu definiert
(Lesefassung siehe unter ->
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/XQQGVB002.pdf ,
Änderungsgesetz siehe unter ->
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/XQQGVB9917.pdf ).
§ 2 Absatz 4 Sätze 1 und 2 LBO 2000 lauteten:
„…Oberirdische Geschosse sind Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mindestens 1,40 m über die festgelegte Geländeoberfläche hinausragt. Staffelgeschosse sind oberirdische Geschosse, wenn sie gegenüber mindestens einer Außenwand des jeweils darunterliegenden Geschosses um mindestens zwei Drittel ihrer Wandhöhe zurücktreten…“
§ 2 Absatz 5 LBO 2000 lautete:
„…Vollgeschosse sind oberirdische Geschosse, wenn sie über mindestens drei Viertel ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m haben, Staffelgeschosse sind Vollgeschosse, wenn sie mindestens über drei Viertel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses eine Höhe von mindestens 2,30 m haben; die Höhe der Geschosse wird von der Oberkante des Fußbodens bis zur Oberkante des Fußbodens der darüberliegenden Decke, bei Geschossen mit Dachflächen bis zur Oberkante der Dachhaut gemessen…“
Der Gesetzentwurf der Landesregierung vom 09.03.1999 - Drucksache 14/2040 – begründete die damals vorgesehenen Änderungen des Absatzes 4 Satz 2 und 5 zweiter Halbsatz (Ersetzung von „zwei Drittel“ durch „drei Viertel“) wie folgt
(siehe Seiten 8 und 55 des Dokuments ->
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/QQD14-2040.pdf ):
„…Um Staffelgeschosse leichter als bisher zu ermöglichen, ohne sie als Vollgeschosse beurteilen zu müssen, werden Absatz 4 Satz 2 und Absatz 5 neu gefaßt und mit der allgemeinen Regelung über Vollgeschosse harmonisiert. Staffelgeschosse stellen ein wichtiges städtebauliches Gestaltungselement dar und beugen der Anordnung verunstaltender Gauben im Dachraum vor…“
Der Innen- und Rechtsausschuss hatte in diesen Punkten keine Änderungen zum damaligen Gesetzentwurf vorgeschlagen, siehe S.4/5 des Dokuments ->
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/QQD14-2425.pdf .
Nun mag man aus der Gesetzesbegründung ableiten, dass ein Staffelgeschoss nach dem Willen des Landesgesetzgebers immer nur das oberste Geschoss sein darf, oder der bereits an anderer Stelle in diesem Forum angesprochenen Kommentierung Domning/Möller/Suttkus zu § 2 LBO 2009 folgen, dass durch die Aussage „…die Höhe der Geschosse wird von der Oberkante des Fußbodens bis zur bis zur Oberkante des Fußbodens der darüber liegenden Decke, bei Geschossen mit Dachflächen bis zur Oberkante der Dachhaut gemessen…“ klargestellt sei, dass Staffelgeschosse nur als oberste Geschosse von Gebäuden möglich seien (siehe->
http://foren.kreis-stormarn.de/view/thread/2554/0/?SID=8a7c27cd769cc5be2e765ef2d32efc50 ).
Ich persönlich leite aus dem Wort „jeweils“ im heutigen § 2 Absatz 6 Satz 2 LBO 2009 ab, dass auch unterhalb des obersten Staffelgeschosses ein weiteres Staffelgeschoss möglich sein muss.
„Knackpunkt“ – und auch Ihr nachbarrechtliches Problem – ist natürlich nicht dieser Punkt, sondern aus Ihrer Sicht die Frage der Vollgeschossigkeit, die als (ein) Maß der baulichen Nutzung (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO unter ->
http://dejure.org/gesetze/BauNVO/16.html ) in erster Linie in qualifizierten Bebauungsplangebieten von Bedeutung ist.
Wenn ein Bebauungsplan die (maximale) Zahl der Vollgeschosse bestimmt und ein Bauvorhaben diese Festsetzung beachtet, ist das Vorhaben zunächst einmal in Bezug auf dieses Kriterium zulässig.
Einschränken könnten die Zulässigkeit beispielsweise die Festsetzung einer Gebäudehöhe und/oder eine Festsetzung nach § 20 Abs. 3 Satz 2 BauNVO (siehe unter ->
http://dejure.org/gesetze/BauNVO/20.html ).
Natürlich kann die Stadt oder Gemeinde auch ein rechnerisch zwar „passendes“, aber gleichwohl „aus der Reihe tanzendes“ Baugesuch zum Anlass nehmen, einen Aufstellungsbeschluss zu fassen, den Bebauungsplan wie eben beschrieben zu ändern, und Plansicherung zu betreiben (vgl. §§ 14 ff. BauGB unter ->
http://dejure.org/gesetze/BauGB/14.html ).
Ob und ggf. welche Möglichkeiten man als Eigentümerin oder Eigentümer eines Nachbargrundstücks hat, ein Bauvorhaben zu beeinflussen, haben wir auf unserer Homepage beschrieben unter
->
http://www.kreis-stormarn.de/service/lvw/leistungen/index.php?bereich=1&lid=61
->
http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.html?bid=34
->
http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.html?bid=111 .
Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung haben nach der Rechtsprechung allerdings im Regelfall keine nachbarschützende Wirkung. Dies ist nur der Fall, wenn sie für benachbarte Grundstücke wechselseitige Beschränkungen oder Begünstigungen zur Folge haben und sie aus diesem Grund getroffen worden sind (BVerwG, B. v. 23.06.1995 – 4 B 52.95 -, BRS 57 Nr. 209 und v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 -, BRS 57 Nr. 219).
Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee