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Thema: Ansiedlungs & Baugenehmigung
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Geschrieben von:
kobby
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Hallo Ihr Leser dieses Forums,
ich habe vor einiger Zeit ein Grundstück erworben, das in einem dieser Bereiche liegt, in denen man trefflich über "Aussenbereich" oder "Im Zusammenhang Bebaut" streiten kann. Auf jeden Fall habe ich erfahren ( und auch in Händen ), das es für dieses Grundstück sowohl eine Ansiedlungsgenehmigung "zur Errichtung eines Wohnhauses" als auch eine Baugenehmigung für ein Wohnhaus gibt. Einzig gebaut wurde nie....
Auf den Dokumenten sind keinerlei Einschränkungen bezüglich der Gültigkeit. Für mich ergeben sich daraus zwei Fragen. Der Kreis bezeichnet diese Fläche als "Fläche für die Landwirtschaft" und von da her dürfe hier nichts gebaut werden. Nach meiner Ansicht kann es sich aufgrund der ja erteilten Genehmigungen ja nur um eine Art Wohn/Siedungsfläche handeln, zumal die dazugehörige Straße bereits ( fast ) vollständig bebaut ist, das Grundstück eine Hausnummer hat und ich zahle sogar Steuern für ein "bauliches" und nicht für ein "agrarliches" Grundstück. Ausserdem wird das Grundstück, wie die der Nachbarn auch, bei amtlichen Liegenschaftskartaster farblich auch als bauliche Fläche gezeigt und ist voll erschlossen.
Die zweite Frage, die ich mir stelle ist: Benotige ich überhaupt noch eine Baugenehmigung, oder könnte ich quasi das Gebäude aus der Genehmigung von damals einfach so bauen. Muß ich also komplett neu beantragen oder den theoretischen Bestand nur ändern. ( Oder kommt das womöglich aufs gleiche raus? )
Ich freue mich auf zahlreiche Meinungen und hinweise zu vergleichbaren Fällen.
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Geschrieben von:
Jens Bebensee
Fachdienstleiter Bauaufsicht
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Hallo kobby,
wir haben in Ihrer Sache ja bereits telefoniert, deshalb kann ich mich kurz fassen:
1.) Ansiedlungsgenehmigung
Der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen OVG hat in seinem Urteil vom 07.09.1994 – 1 L 125/93 – u. a. ausgeführt:
„…Selbst wenn der Ansiedlungsgenehmigung [Anmerkung von mir: aus dem Jahre 1969] die Auffassung zugrundegelegen haben sollte, das streitige Flurstück solle besiedelt werden, ist die Rechtswirkung der Genehmigung durch Zeitablauf entfallen und die damalige Auffassung heute nicht mehr maßgeblich…“
Das bis zur Gründung des Schleswig-Holsteinischen OVG im Jahre 1991 auch für Schleswig-Holstein zuständige OVG Lüneburg hat schon in seinen Urteilen vom 04.09.1964 – 1 OVG A 130/62 und 1 OVG A 150/63 – klar gestellt, dass einer Ansiedlungsgenehmigung für das Baugenehmigungsverfahren keine präjudizielle Wirkung zukommt, auch wenn die Baugenehmigungsbehörde die Zustimmung zur Ansiedlungsgenehmigung erteilt haben mag.
Schließlich hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts bereits im Leitsatz seines Urteils vom 12.12.1957 – 1 C 87.57 – (in BverwGE 6, 56) ausgeführt:
„…Die Erteilung der Ansiedlungsgenehmigung für ein bestimmtes Vorhaben verleiht dem als Standort in Aussicht genommenen Gelände keine Baulandqualität…“
2. Wo endet ein Ortsteil?
Auf Ihren Fall wird der Beschluss des 4. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.09.2000 – 4 B 49.00 – anzuwenden sein, der (glücklicherweise) im Internet u. a. zu finden ist über folgenden Link:
-> http://lexetius.com/2000,1975 .
Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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Geschrieben von:
kobby
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Hallo Herr Bebensee,
vielen Dank für Ihre Antwort und auch das lange, ausführliche Telefonat!
Ich denke jedoch, das in Hinblick auf Ihre Antwort ( 2. Wo endet ein Ortsteil? ) ein Missverständnis vorliegt. Mein Grundstück liegt ja gerade im der im Zusammenhang bebauten Gemeinde und beendet diese an seiner westlichen Grenze. Von der östlichen Grenze aus gesehen ist die nächste Wohnbebauung ca. 20m entfernt. Die übernächste ca. 60 m.....
Insgesamt sind in meinem Ortsteil in meiner Gemeinde auf meiner Straßenseite ca. 12-15 Wohngebäude auf 600 Meter bis zur nächsten Kreuzung. Die andere Straßenseite bis dahin unbebaut. Auf der anderen Seite der Kreuzung folgt dann tatsächlich eine Unterbrechung der Wohnbebauung von ca. 180 Metern. In diesem Bereich gibt es nur Unterstände. Dann geht es ( auf beiden Straßenseiten ) mit Wohnbebauung weiter.
Die Bebauungen der östlich angrenzenden vier Grundstücke geht zum Teil auf genau die gleichen Ansiedlungsgenehmigungen ( derer es auch mindesten fünf gegeben hat ) zurück, denn zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Ansiedlungsgenehmigungen waren die Nachbarflurstücke noch ein mit meinem gemeinsames, das dann erst viel später geteilt wurde. Bis zu Teilung waren die Grundstücke an die Siedler verpachtet.
Von daher sollte das Grundstück nicht nur besiedelt werden, sondern ist es auch ( das damals eine ) .
Die eigentliche Frage geht aber in die Richtung der Ausweisung im Flächennutzungsplan. Hier also noch einmal ganz konkret: Darf eine Fläche ( die die gesamten 600 Meter umfasst ), und, wie beschriegen, tatsächlich seit vielen vielen Jahrzehnten baulich genutzt, im FNP immer noch als Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen sein ?
Zu Umgebung meines Grundstücks: Der nächtste Bäcker ( Großbäckerei ) ist 1100 Meter entfernt, Aldi, Lidl, Kneipen und weitere ca. 1500 Meter und das Rathaus selbst ca. 2500 Meter. Hier ist nicht die Luftlinie, sondern die Wegstecke auf der Straße zugrunde gelegt. Die Gemeinde hat ca. 19000 Einwohner .
Ich habe leider die von Ihnen erwähnten Urteile ( noch ) nicht, aber glauben Sie, das diese auch unter den oben geschilderten Gesichtspunkten gemeint waren ?
Viele Grüße,
Kobby
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Geschrieben von:
Jens Bebensee
Fachdienstleiter Bauaufsicht
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Hallo Kobby,
selbst auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole:
Aus einer (früheren) Ansiedlungsgenehmigung werden Sie heute keinen Anspruch mehr herleiten können, auf einem Grundstück bauen zu dürfen. Selbst „echte“ Baugenehmigungen und Teilbaugenehmigungen erlöschen, wenn innerhalb von drei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Vorhabens nicht begonnen oder die Ausführung länger als ein Jahr unterbrochen worden ist (vgl. § 75 Abs. 1 LBO).
Nach § 75 Abs. 2 Satz 1 LBO k a n n diese Frist auf schriftlichen Antrag jeweils bis zu zwei Jahre verlängert werden.
Das Wort „kann“ hat es aber wieder „in sich“.
Eine Verlängerung einer Baugenehmigung ist - kurz gesagt und praktisch gesehen - die Erteilung einer neuen Genehmigung unter vereinfachten Voraussetzungen, weil nicht erneut die gesamten erforderlichen Bauvorlagen eingereicht werden müssen.
Der Gesetzgeber hat nun aber ganz bewusst im Zusammenhang mit Verlängerungen von Baugenehmigungen das Wörtchen „kann“ gewählt:
Zum einen kann sich die Rechtslage nach drei Jahren zu Ungunsten eines Antragstellers geändert haben mit der Folge, dass eine Verlängerung nach der geltenden Rechtslage abgelehnt werden müsste.
Zum anderen wurde sicherlich auch an den Faktor „Mensch“ gedacht, denn auch in Baugenehmigungsbehörden sitzen Sachbearbeiter/innen, die nicht unfehlbar sind und möglicherweise versehentlich eine rechtswidrige – aber dennoch wirksame – Baugenehmigung erteilen bzw. erteilt haben. Das Wort „kann“ versetzt diese Personen dann in die Lage, die Gültigkeit einer nicht in Anspruch genommenen, rechtswidrigen Baugenehmigung nicht auch noch (weiter) verlängern zu müssen.
Auf das „Pferd“ Ansiedlungsgenehmigung würde ich also an Ihrer Stelle nicht setzen; insofern werden Ihnen die Urteile zu Ansiedlungsgenehmigungen nicht weiter helfen.
Die Frage zur Darstellung im Flächennutzungsplan (F-Plan) würde ich mit „Ja“ beantworten:
Der F-Plan ist ein vorbereitender Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB). In ihm ist für das ganze Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen (vgl. § 5 Abs. 1 BauGB). Anders als der B-Plan, der die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung enthält (§ 1 Abs. 1 BauGB), hat der F-Plan keinen Rechtsnormcharakter. Seine Darstellungen sowie die damit verfolgten städtebaulichen Ziele werden grundsätzlich erst bodenrechtlich, also auf der Ebene der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit verbindlich, wenn sie durch die Aufstellung von B-Plänen umgesetzt worden sind. Von diesem Grundsatz macht nun § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 eine Ausnahme, indem die Darstellungen des F-Plans gegenüber Vorhaben im Außenbereich in bestimmter Weise die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben beeinflussen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen F-Plandarstellungen durch die gegebene Situation bestätigt und erhärtet werden, d. h. „als Unterstützung und einleuchtende Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten” geeignet sein, um zum Vorliegen eines beeinträchtigten öffentlichen Belangs beizutragen. Soweit also F-Plandarstellungen die gegebene städtebauliche Situation verdeutlichen, kommt den Darstellungen Bedeutung zu, d. h. bei einem entsprechenden Widerspruch führt dies zur Unzulässigkeit sonstiger Vorhaben (BVerwG, Urte. v. 23.05.1980 – IV C 79.77 – in BRS 36 Nr. 64 und v. 20.01.1984 – 4 C 43.81 – in BRS 42 Nr. 91).
Darin erschöpft sich aber die Bedeutung eines Widerspruchs zu den Darstellungen des F-Plans nicht. Da er auch die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung darstellt, kommt ein relevanter Widerspruch zu seinen Darstellungen auch in Betracht, wenn diese nicht nur eine tatsächliche Situation aufgreifen, sondern auch die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung festlegen.
Trotz der umfangreichen und recht anschaulichen Beschreibung der Umgebung des Grundstücks sehe ich mich nicht in der Lage, Ihnen eine abschließende Einschätzung der Genehmigungsfähigkeit einer Bebauung des Grundstücks geben zu können, weil mir Kartenmaterialien, Übersichtspläne und sonstige Bauvorlagen fehlen. Fehlt auch nur ein Detail im Sachverhalt, kann man leicht zu einer falschen Schlussfolgerung kommen.
Die bauplanungsrechtliche Prüfungsreihenfolge jedenfalls ist klar:
1.
Liegt das Grundstück innerhalb eines Bebauungszusammenhangs?
2.
Wenn nein:
-> voraussichtlich keine Wohnbebauung möglich, da u. a. Befürchtung der Entstehung oder Erweiterung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB)
3.
Wenn ja:
Hat der Bebauungszusammenhang das Gewicht eines Ortsteils?
Wenn ja:
-> Wohnbebauung nach § 34 BauGB grundsätzlich möglich, ausnahmsweise nicht
(z. B. „Biotop“)
Wenn nein:
-> Wohnbebauung grundsätzlich nicht möglich, wenn Verfestigung Splittersiedlung „zu befürchten“ ist.
„Zu befürchten“ bei
-> nicht hinreichend deutlicher Unterordnung unter vorhandene Bausubstanz (Bsp.: zu zwei Wohngebäuden tritt eines hinzu)
-> weitreichender oder nicht genau absehbarer Vorbildwirkung (Bsp.: durch Wiederholungen könnte sich Bausubstanz in der Splittersiedlung nahezu verdoppeln)
-> Begründung oder Erhöhung bodenrechtlich beachtlicher Spannungen (Bsp.: In „Lücke“ zwischen Wohnhäusern soll Gewerbebetrieb errichtet werden).
Wenn in diesem Sinne nicht „zu befürchten“:
-> voraussichtlich städtebaulich nicht unerwünschte Verfestigung einer Splittersiedlung (so etwas wie „Schließung einer kleinen Baulücke“).
Im letztgenannten Fall werden vermutlich auch die Darstellungen des F-Plans dem Vorhaben nicht entgegengehalten werden können. Allerdings können die anderen im § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgezählten Belange nicht „wegkompensiert“ werden.
Alle anderen Fragen sollten Sie mit der zuständigen Bauaufsichtsbehörde klären…
Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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Zuletzt geändert am 20.08.2010 um 18:05:39 von Jens Bebensee.
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Geschrieben von:
kobby
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Na, wenn das keine ausführliche Antwort ist !
DANKE !
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