Sehr geehrter Neu Glinder,
in der damaligen Antwort ging es um § 48 Abs. 1 der Landesbauordnung Schleswig-Holstein (LBO), der die Mindesthöhen von Aufenthaltsräumen regelt und in seinem Satz 2 auch Aufenthaltsräume im Dachraum anspricht. Die Fragen der Zugänglichkeit zu benutzbaren Dachräumen und Dachräumen ohne Aufenthaltsraum klärt § 35 LBO.
Aufenthaltsräume sind nach § 2 Abs. 5 LBO „…Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind…“. Einzelheiten dazu siehe auch in unserem Baulexikon unter
->
http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.html?bereich=1&bid=126 .
Der Begriff des Dachraumes hingegen ist in der LBO nicht definiert; auch die untere Begrenzung eines Dachraumes ist nicht festgelegt. Deshalb haben die Verwaltungsgerichte schon in der Vergangenheit Definitionen erarbeitet, z. B.
-> OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.11.1979 – X A 995/79 – in BRS 35 Nr. 107
Leitsatz:
„…Unter dem Dachraum eines Hauses in dem für Aufenthaltsräume eine lichte Höhe von weniger als 2,50m gestattet werden kann, ist der von dem Dach - bestehend aus Tragwerk und Dachhaut - und der Decke des obersten Geschosses gebildete Raum zu verstehen…“
-> OVG Bremen, Urt. v. 08.09.1981 - 1 BA 17/81 – in BRS 38 Nr. 117
Leitsatz:
„…Der Dachraum ist ein Raum, der von dem Dach, bestehend aus dem Tragwerk und der Dachhaut und der Decke des obersten Geschosses gebildet wird…“
-> OVG Berlin, Urt. v. 10.03.1989 – 2 B 4.87 – in DVBl. 1989, 1065:
Leitsatz:
„…Unter dem Dachraum eines Hauses ist der vom Dach, bestehend aus Tragwerk und Dachhaut, und der Decke des obersten Geschosses gebildete Raum zu verstehen, Unabhängig von der konstruktiven Notwendigkeit der dazu verwendeten Aufbauten scheidet die Qualifikation als Dachraum aus, wenn ein Vollgeschoß durch eine dachartig aussehende Verkleidung offensichtlich nur kaschiert werden soll…“
Im Kommentar Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 33. Lfg. Stand März 2010 wird im § 34 Rdnr. 12 ff. u. a. folgendes ausgeführt:
„…Es kann … davon ausgegangen werden, dass der Dachraum am Schnitt von Außenwand und Dachhaut beginnt … Auf der Außenwand angebrachte Putzschichten oder Verkleidungen vergleichbarer Stärke können dabei vernachlässigt werden. Es ist unerheblich, ob der Schnitt mit der Dachhaut tatsächlich oder durch eine gedachte Fortsetzung der Wandaußenseite gebildet wird. Dachhaut ist die äußerste Schicht des Daches (Dachziegel, Blech, Dachpappe) ohne die zur Befestigung dienende Unterkonstruktion (Dachlatten, Dachschalung). Diese Begrenzung des Dachraums entspricht auch der allgemeinen Verkehrsauffassung, wonach der Dachraum den gesamten Bereich zwischen zwei geneigten Dachflächen (z. B. beim Sattel- oder Walmdach) umfasst… Bei hohen Dächern können dabei mehrere Geschosse im Dachraum liegen…
Strittig ist der Umfang des Dachraums bei Dächern mit ungleich breiten bzw. ungleich geneigten Dachhälften (z. B. beim sog. einhüftigen Dach oder beim abgeschleppten Dach), bei denen die Schnitte von Außenwand und Dachhaut bei den einzelnen Dachhälften unterschiedlich hoch liegen. So wird vielfach die Auffassung vertreten, der Dachraum beginne an der gedachten oder tatsächlich vorhandenen waagerechten Ebene in Höhe des Schnittes von Außenwand und Dachhaut der tieferliegenden Dachhälfte (so z. B. VGH [Baden-Württemberg] Urt. v. 15.02.1984 – 3 S 1279/83 – [in BRS 42 Nr. 114], allerdings noch zur damaligen Regelung über den Beginn des Dachraums in § 2 Abs. 4 Satz 2 LBO [Baden-Württemberg] 1972). Diese Auffassung führt dazu, dass alle Gebäudeteile zwischen den Schnitten von Außenwand und Dachhaut der tieferliegenden und der höherliegenden Dachhälfte vollständig zum Dachraum zählen, obwohl diese Gebäudeteile nur einseitig von geneigten Dachflächen begrenzt werden und nicht zwischen geneigten Dachflächen liegen. Je größer die Höhendifferenz zwischen diesen Schnitten ist, desto höher ist auch dieser nur einseitig von Dachschrägen begrenzte Bereich. Nach Sinn und Zweck … erscheint es jedoch nicht gerechtfertigt, diese Gebäudeteile in ihrer Gesamtheit dem Dachraum zuzurechnen. Die Erleichterung für Aufenthaltsräume im Dachraum findet ihre Berechtigung nämlich nur für den Bereich zwischen Dachschrägen sowie unmittelbar unter Dachschrägen. Demzufolge ist bei asymmetrischen Dächern davon auszugehen, dass der Dachraum zwar in der Höhe des Schnittpunkte von Außenwand und Dachhaut der tieferliegenden Dachhälfte beginnt, bis zum Schnittpunkt der höherliegenden Dachhälfte aber nur die Räume umfasst, bei denen mindestens eine Seite durch Dachschrägen begrenzt wird; erst der Bereich über dem höhergelegenen Schnittpunkt zählt, da er zwischen Dachschrägen liegt, in seiner Gesamtheit zum Dachraum…
Die gleiche Betrachtungsweise ist bei Pultdächern angebracht: Der Dachraum umfasst hier nur die durch Dachschrägen begrenzten Räume, da nur hier besondere Regelungen erforderlich sind…“
Bei einem Flachdach ist üblicherweise kein Dachraum vorhanden. Es kann jedoch einer entstehen, wenn ein Dachstuhl auf der obersten Geschossdecke aufgebracht ist, in den man zu Inspektionszwecken kriechen oder - wenn er höher ist - begehen oder nutzen kann (Installationsgeschoss).
Ein Dachraum kann ein Geschoss oder bei steileren Dächern mehrere Geschosse – mehrere Dachgeschoßebenen – enthalten. Diese Geschosse gelten, ohne dass es für den Begriff des Dachraumes erheblich ist, nur dann als Geschosse, wenn in ihnen Aufenthaltsräume möglich sind.
Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee