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Thema: Sanierung im Außenbereich
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Autor |
Beitrag |
Geschrieben von:
Heike
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Ich habe folgendes Problem und sich daraus anschließende Fragen.
Wir sind seit 2000 Eigentümer eines Grundstücks, ca. 5.500 qm, im Außenbereich. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus, unterkellert, ca. 70 qm Wohnfläche , Baujahr ca. 1930, bebaut. Leider haben die Vorbesitzer, wohl aus Unwissenheit ,für dieses Grundstück das Wohnrecht verfallen lassen. Es ist uns daher nur möglich, dieses Grundstück als Freizeitobjekt zu nutzen. Das Wiedererlangen von Wohnrecht wurde uns verwehrt bzw. als aussichtslos gestellt. Wir nutzen dieses Objekt jedoch trotzdem intensiv, sind den ganzen Sommer über hier. Das Haus ist stark sanierungsbedürftig. Einfach wegschieben - geht nicht. Das haben wir uns schon sagen lassen. Eigene Recherchen im Internet und in Gesetzeskommentaren, haben gezeigt, dass damit ja auch der Bestandsschutz verloren gehen würde. Nun stellt sich aber die Frage, was konkret, dürfen wir tun, um das Objekt zu erhalten bzw. auf einen dem heutigen Standard angepassten Stand zu bringen.
Konkret: Können Fenster und Fassade erneuert werden - ohne Baugenehmigung. Kann man ein solches Objekt sozusagen "entkernen" ohne das der Bestandsschutz verloren geht. Ein Dach einfach abheben und erneuern, so konnte ich den bisherigen Ausführungen dieses Portales entnehmen, wäre ebenso fatal. Also, könnte man ein Dach etappenweise erneuern? Für welche konkreten Maßnahmen ist eine Baugenehmigung erforderlich. Das hiesige Bauamt ist leider nicht sehr bürgernah und auskunftsbereit. Sicher ist es immer ein Spagat zwischen Auskunft geben und Rechtsberatung. Jedoch habe ich feststellen müssen, dass selbst Nachfragen bei Architekten mich insofern nicht überzeugen konnten, als diese sehr labidar mit den rechtlichen Schranken umgehen. Wir möchten unbedingt den Standort für uns und den Objektwert erhalten. Es muss doch moderate Möglichkeiten geben, ein solches Haus zu erhalten. Ich wäre sehr dankbar für Auskünfte oder Hinweise. So konnte ich diesem Portal entnehmen, dass hier offenbar fundamentiert Auskunft erteilt wird. Prima Sache für den ratsuchenden Bürger.
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Geschrieben von:
Louisa Eberhardt
Bauaufsicht
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Hallo Heike,
zu der Anfrage zunächst einmal der Hinweis, dass ich nur grundsätzliche Aussagen machen kann, also keine verbindliche Antwort (mangels Kenntnis der Einzelheiten). Außerdem ist mir nicht ganz klar, warum das Gebäude noch Bestandsschutz genießt, das Wohnrecht jedoch verfallen sein soll. Wurde das Gebäude seinerzeit mal umgenutzt? Warum soll so viel Aufwand in ein Gebäude investiert werden, wenn man angeblich dort nicht wohnen darf / kann?
Hier aber erst einmal die beiden grundsätzlichen Dinge, die ich zu der Anfrage sagen kann:
1. Instandhaltung
2. Abriss und Neubau
Zu 1.
Nach § 63 Abs. 4 LBO sind Instandhaltungsarbeiten verfahrensfrei, d.h. hierfür ist keine Baugenehmigung erforderlich. Zur Instandhaltung zählt die Erhaltung, Unterhaltung und Instandsetzung. Durch Instandhaltungsarbeiten werden zerstörte oder schadhafte Bauteile wieder hergerichtet, Mängel oder Schäden beseitigt durch Maßnahmen, die den bisherigen Zustand im Wesentlichen unverändert lassen oder ihn wiederherstellen und erhalten.
Zu den Instandhaltungsarbeiten gehören u.a. eine fachgerechte Erneuerung zerstörter oder schadhafter Bauteile, eine Ausbesserung oder Erneuerung des Außenputzes oder Erneuerung des Anstrichs eines Gebäudes; ebenso Fenster und Türen (§ 63 Abs. 1 Nr. 10 LBO).
Nach Simon/Busse (Kommentar zur BayBO) erfassen Instandhaltungsarbeiten nicht das vollständige Auswechseln von wesentlichen Bauteilen oder das Auskernen von ganzen Gebäuden, das einer Neuerrichtung gleichkommt oder die vollständige Erneuerung einer baulichen Anlage. Wesentliche Eingriffe in die Substanz, z.B. das Auswechseln wesentlich bestimmender Bauteile, ist nicht mehr Instandsetzung; es liegt dann die Errichtung oder Änderung einer baulichen Anlage vor, die baugenehmigungspflichtig wäre.
D.h. nicht mehr um bloße Instandhaltungsmaßnahmen handelt es sich, wenn die Arbeiten der Qualität nach so (kosten-)intensiv sind, dass sie praktisch zu einem wesentlich neuen Bauwerk (Neubau) führen. Ebenfalls handelt es sich nicht mehr um verfahrensfreie Instandhaltungsarbeiten, wenn in die Statik eingegriffen wird (Umkehrschluss aus § 63 Abs. 1 Nr. 10 LBO).
Für die vollständige Erneuerung des Daches, ob nun "am Stück" oder schrittweise, ist eine Baugenehmigung erforderlich.
Zu 2.
Speziell im Außenbereich gibt es noch eine Vorschrift, die hier evtl. in Betracht kommen könnte: Abriss und Neubau nach § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB. Die Genehmigungsfähigkeit ist jedoch an einige Voraussetzungen geknüpft. So muss es sich um den Neubau eines (1) gleichartigen Wohngebäudes (2) an gleicher Stelle handeln. Das vorhandene Gebäude muss (3) zulässigerweise errichtet worden sein, (4) Missstände oder Mängel aufweisen, (5) seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt werden (grds. mind. 4 Jahre) und (6) der Neubau für den Eigenbedarf sein.
Des Weiteren hat Herr Bebensee bereits 2007 und 2008 auf ähnliche Fragen zum Thema Vollrenovierung bzw. Dachstuhlerneuerung ausführlich geantwortet.
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Geschrieben von:
Heike
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Vielen Dank, das gibt mir schon ein wenig mehr Orientierung.
Bezüglich des Bestandschutzes kann ich nur die Auskunft des örtlichen Bauamtes wiedergeben.
Die Vorbesitzer waren vor der Veräußerung bereits mehrere Jahre nicht mehr melderechtlich unter dieser Anschrift registriert. Nach 2 Jahren wäre somit vom Eigentümer das Wohnrecht aufgegeben. Somit ist das Wohnhaus nur noch als Freizeitobjekt nutzbar. Ein Wohnrecht wird uns nicht wiedergegeben. Die angrenzenden Grundstücke haben das Glück, dass hier ständig Leute gewohnt haben. Deren Wohnrecht somit noch besteht.
Zum § 35 Abs. 4 BauGB habe ich hier aber noch eine Frage. Die Voraussetzung \\\"Wohngebäude\\\", ist diese an ein bestehendes Wohnrecht gebunden? Oder ist es ausreichend, dass dieses Wohnhaus als Wohnhaus zulässigerweise errichtet wurde. Ebenso die Voraussetzung \\\"seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt\\\". Das Objekt wird seit dem Erwerb von uns genutzt. Wir verbringen die Sommermonate hier, bis in den späten Herbst, aber wohnen dürfen wir ja nicht hier.
Gern würden wir einen gleichartigen Neubau für den Eigenbedarf (Wohnen) errichten. Aber hier ist uns einfach keine Tür geöffnet.
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Geschrieben von:
Louisa Eberhardt
Bauaufsicht
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Hallo Heike,
der Begriff Wohngebäude im Sinne des § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB meint, dass das vorhandene Gebäude im Wesentlichen Wohnzwecken dienen muss - unabhängig davon, ob es seinerzeit privilegiert (also einem landwirtschaftlichen Betrieb diente) oder nichtprivilegiert genutzt wurde.
Wenn es sich um ein Wohngebäude handelt, ist mir unklar, warum Sie dort nicht wohnen dürfen. Der Begriff Wohnrecht ist mir in diesem Zusammenhang unbekannt. Ich kann ich mir aber vorstellen, dass Ihnen die dauerhafte Nutzung / das Wohnen verwehrt wird, weil das vorhandene Gebäude seinerzeit evtl. als Ferien- oder Wochenendhaus genehmigt wurde. Sofern das der Fall sein sollte, fehlt es für die Inanspruchnahme der Begünstigungen des § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB an der erforderlichen Gleichartigkeit der Funktion "Wohnen", wenn ein Wohngebäude durch ein Ferien- oder Wochenendhaus oder umgekehrt ersetzt werden soll (vgl. BVerwG, Urt. vom 08.06.1979 - 4 C 23.77; Urt. vom 12.03.1982 - 4 C 59.78).
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Geschrieben von:
Heike
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Vielen Dank Frau Eberhardt, dass Sie sich nochmals zur Sache melden. Es ist, wie bereits geschildert: Bis ca. 1983 wurde das Grundstück richtig bewohnt, mit gemeldetem Wohnsitz. Der Eigentümer ist verstorben, auf dessen Erben ist das Grundstück übergegangen. Diese habe sich hier jedoch nie melderechtlich regisitrieren lassen. 2000 haben wir dann das Grundsück erbworben. Das Bauamt gab uns die Auskunft, dass der Vorbesitzer das Wohnrecht aufgegeben hat, uns somit die dauerhafte Wohnnutzung verwehrt ist. Vielleicht ist es ja auch eine Besonderheit, dass das Grundstück in den alten Bundesländern liegt. Nirgend fand ich Auskunftshilfe, deshalb habe ich mich hier zu Wort gemeldet. Die grundsätzlichen rechtlichen Gegebenheiten können doch aber nicht anders sein. Eine Nutzungsänderung war nie angezeigt. Es ist einfach der Wille der Gemeinde - so scheint es.
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Geschrieben von:
Andreas
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Hallo, ich habe dasselbe Problem in Bayern. Ein 1988 genehmigtes zweifamilienhaus im Außenbereich wurde im Jahr 2000 grundlegend saniert, eigentlich wurde alles abgerissen und neu aufgebaut, nicht weil das Haus alt und schlecht war, sondern weil Geld damals beim Voreigentümer keine Rolle spielte und alles schöner und energieeffizienter gemacht werden sollte. Dann ging der Voreigentümer aber überraschenderweise pleite und in die insolvent und hinterließ seit 2001 sozusagen einen Rohbau mit fertigem Dach dort. Fenster und Inneneinrichtung fehlten noch. Bis 2000 wurde das Zweifamilienhaus zu Wohnzwecken genutzt, nach der Insolvenz fehlte das Geld zum fertigstellen, dass es wieder bezugsfertig gemacht werden hätte können. Ich habe das Wohnhaus gerade käuflich erworben, jetzt untersagt mir das Landratamt eine Nutzung zu Wohnzwecken, da es der meinung ist, dass nach 2 jahren die Nutzung zur Wohnberechtigung quasi als aufgegeben erscheint und damit verfallen wäre. Eine Wohnnutzungsaufgabe war aber selbst vom Vorgänger nie gewollt, das Geld fehlte halt dem Vorbesitzer und jetzt steht da ein riesen haus und dürfte nicht mehr genutzt werden????? Verfällt hier tatsächlich der Bestandschutz für die Wohnnutzung wenn das Gebäude länger als 2 jahren nicht mehr bewohnt wird???? Wer weiss was, wer kann helfen?
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Geschrieben von:
Jens Bebensee
Fachdienstleiter Bauaufsicht
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Hallo Andreas,
in Ihrem Fall müsste man aus meiner Sicht das „rechtliche Schicksal“ des Gebäudes im Zeitraum von der Genehmigung aus dem Jahre 1988 bis heute nachvollziehen.
Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob die „grundlegende Sanierung“ im Jahre 2000 genehmigt worden ist, denn nach Ihrer Beschreibung scheint ein Neubau entstanden zu sein.
Dieser Neubau hätte nur unter den erleichternden Bestimmungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB genehmigt werden dürfen. Voraussetzung dafür wäre u. a. gewesen, dass das praktisch erst zwölf Jahre zuvor genehmigte Wohngebäude bereits Missstände oder Mängel (zu diesen Begriffen vgl. § 177 Abs. 2 und 3 BauGB) aufwies.
Sollte im Jahre 2000 für einen solchen „Ersatzbau“ eine Baugenehmigung erteilt worden sein, ist die Genehmigung höchstwahrscheinlich erloschen, weil die Bauarbeiten zu lange (mehr als vier Jahre) unterbrochen worden sind (vgl. dazu Art. 77 BayBO 1997/2006 unter http://www.innenministerium.bayern.de/imperia/md/content/stmi/bauen/rechtundtechnikundbauplanung/_baurecht/baybo/baybo_2006_3_10.pdf bzw. Art. 69 BayBO 2010 unter http://www.innenministerium.bayern.de/imperia/md/content/stmi/bauen/rechtundtechnikundbauplanung/_baurecht/baybo/baybo_2010_01_01.pdf ).
Allein diese formelle Illegalität – also das Fehlen der erforderlichen Baugenehmigung – rechtfertigt ein bauaufsichtliches Einschreiten in Form einer Baueinstellungsverfügung oder – wenn keine genehmigungspflichtigen Maßnahmen mehr durchzuführen sind – eines Nutzungsverbots. Nach der Auffassung mancher Obergerichte darf die bauliche Anlage außerdem nicht offensichtlich genehmigungsfähig sein (sog. „Stirntheorie“).
Sollte im Jahre 2000 für einen solchen „Ersatzbau“ hingegen keine Baugenehmigung erteilt worden sein, ergibt sich die gleiche Rechtsfolge wie oben – Bauen bzw. Nutzen ohne Genehmigung.
Die 2-Jahresfrist erscheint mir vor dem Hintergrund der Regelung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe c) BauGB für etwas zu kurz bemessen, zumal Sie offensichtlich nicht zu erkennen gegeben haben, das Gebäude endgültig aufzugeben.
Mit freundlichem Gruß
aus Norddeutschland
Jens Bebensee
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Zuletzt geändert am 09.02.2010 um 19:05:21 von Jens Bebensee.
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Geschrieben von:
Sven Dominicus
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Hallo - was bedeutet "selbst genutzt" im Sinne des § 35 Abs. 4 Nr. 2. Ist hier grundsätzlich das Wohnen gemeint oder könnte eine Nutzung auch anders aussehen? - Danke und Gruß
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Geschrieben von:
Jens Bebensee
Fachdienstleiter Bauaufsicht
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Hallo Herr Dominicus,
siehe Abschnitt 4.2.3 auf Seite 24 des folgenden Runderlasses (Außenbereichserlass NRW):
-> http://www.mbv.nrw.de/Service/Downloads/Bauverwaltung/Aussenbereichserlass/Erlass-Original.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Jens Bebensee
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