Sehr geehrter Herr M.,
mit Ihren Fragen hat sich die Rechtsprechung und Literatur in unzähligen Entscheidungen und Abhandlungen beschäftigt, und im letzten Jahr hat beispielsweise jemand zum Thema „Reichweite und Grenzen des baurechtlichen Bestandsschutzes“ seine „Doktorarbeit“ geschrieben (abrufbar per Suchmaschine unter
http://dnb.ddb.de).
Aus Zeitmangel kann ich Ihre Fragen in diesem Forum nur in aller Kürze beantworten:
1.) Wenn Sie beispielsweise bei einem Wohnhaus die Giebelaußenwände wegreißen und neu hochziehen, greifen Sie so stark in die Statik ein, dass eine statische Nachrechnung des gesamten Baukörpers erforderlich wird.
2.) Der Kostenfaktor soll vermeiden, dass aus Ruinen Neubauten entstehen. Für bestimmte, sogar schon aufgegebene, aber dennoch erhaltenswerte Gebäude ermöglicht § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB noch eine Änderung oder Nutzungsänderung, wie z. B. für Leuchttürme oder Mühlen.
3.) Eine Nutzungsänderung (Funktionsänderung) einer baulichen Anlage wirft die Baugenehmigungsfrage erneut auf. Praktisch müsste man sich bei der baurechtlichen Beurteilung einer Nutzungsänderung das vorhandene Gebäude wegdenken und die Frage klären, ob an gleicher Stelle ein Neubau genehmigt werden darf.
Im Dorfgebiet oder im Außenbereich „nur“ ein Wohngebäude zu genehmigen, reicht nicht aus. Man muss schon wissen, welchem Zweck das Wohngebäude dienen soll:
So sind Wohngebäude für einen landwirtschaftlichen Betrieb im Dorfgebiet nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO (siehe unter
http://dejure.org/gesetze/BauNVO/5.html ) zulässig und im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (siehe unter
http://dejure.org/gesetze/BauGB/35.html ) privilegiert zulässig.
„Sonstige“ Wohngebäude im Dorfgebiet fallen hingegen unter § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, und im Außenbereich sind sie als sog. sonstige, nicht privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB regelmäßig unzulässig, weil sie öffentliche Belange beeinträchtigen.
Für im Außenbereich vorhandene oder vorhanden gewesene Bausubstanz hat der Bundesgesetzgeber mit der Regelung des § 35 Abs. 4 BauGB die Möglichkeit eröffnet, unter erleichterten Bedingungen Baumaßnahmen durchzuführen, indem er bestimmte öffentliche Belange für unbeachtlich erklärt (hat).
Die Nutzungsänderung eines ehemals landwirtschaftlich genutzen Wohngebäudes im Außenbereich in ein sonstiges, nicht mehr privilegiertes Wohngebäude fällt unter die Vergünstigung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Geklärt werden muss im Rahmen der baurechtlichen Prüfung aber beispielsweise, ob das später nicht mehr landwirtschaftlich genutzte Wohngebäude schädlichen Umwelteinwirkungen (unzumutbaren Gerüchen aus landwirtschaftlicher Tierhaltung) ausgesetzt sein wird (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Wäre das der Fall, müsste der Nutzungsänderungsantrag abgelehnt werden, um den landwirtschaftlichen Betrieb vor Einschränkungen seiner Tierhaltung bzw. die künftigen Bewohner des Wohngebäudes vor unzumutbaren Geruchsbelästigungen zu schützen.
Mit freundlichem Gruß
aus der Kreisstadt
Jens Bebensee
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Zuletzt geändert am 03.08.2009 um 10:22:11 von Jens Bebensee.