Geschrieben von:
Jens Bebensee
Fachdienstleiter Bauaufsicht
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Hallo Manuela,
ich denke, ich sollte Ihnen die Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB noch etwas näher erläutern.
Je größer die Zahl der gleichzeitig auf einem solchen Übungsplatz auszubildenden Hunde ist, um so eher ist davon auszugehen, dass sie „nachteilige Wirkungen auf die Umgebung“ haben. Wenn beim Trainingsbetrieb mit erheblichen Lärmemissionen durch Lautäußerungen der Hunde und eventuell auch der Hundehalter oder Hundeführer sowie unter Umständen auch mit Gefährdungen von unbeteiligten Dritten durch noch nicht ausreichend ausgebildete Hunde gerechnet werden müsste, wird eine solche Anlage in einer geschlossenen Ortslage möglicherweise nicht untergebracht werden können. Gibt es im Ort geeignete Flächen - wie etwa einen Sportplatz oder ein Gewerbegebiet – müsste auf solche Flächen ausgewichen werden.
Bei Hundeübungsplätzen im Außenbereich steckt die eigentliche Hürde in dem Wörtchen „soll“.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z. B. Urt. v. 16.06.1994 – 4 C 20.93 – in BRS 56 Nr. 72; Beschluss vom 06.09.1999 – 4 B 74.99 in BRS 63 Nr. 109) stellt diese Bestimmung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB einen Auffangtatbestand für solche Vorhaben dar, die von den Nummern 1 bis 3, 5 und 6 nicht erfasst werden, nach den Grundsätzen städtebaulicher Ordnung, wenn überhaupt, sinnvoll aber nur im Außenbereich ausgeführt werden können, weil sie zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks auf einen Standort außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile angewiesen sind. Die tatbestandliche Weite dieser Vorschrift ist durch erhöhte Anforderungen an die im Gesetz umschriebenen Privilegierungsvoraussetzungen auszugleichen, da sich nur so das gesetzgeberische Ziel erreichen lässt, den Außenbereich in der ihm vornehmlich zukommenden Funktion, der Land- und Forstwirtschaft sowie der Erholung für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stehen, vor einer unangemessenen Inanspruchnahme zu schützen.
Das Tatbestandsmerkmal des "Sollens" setzt demgemäß eine Wertung voraus, ob nach Lage der Dinge das Vorhaben wegen seiner Zweckbestimmung hier und so sachgerecht nur im Außenbereich untergebracht werden kann. Die Privilegierung setzt daher voraus, dass die Durchführung des Vorhabens im Außenbereich gerade durch die besondere Eigenart des Vorhabens erfordert wird. "Erforderlich" in diesem Sinne ist das, was getan werden muss, damit die privilegierte Tätigkeit ausgeübt werden kann. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Einschränkend hat das Bundesverwaltungsgericht ferner hervorgehoben, dass diese Vorschrift Vorhaben privilegieren will, die singulären Charakter haben, jedenfalls nicht in einer größeren Zahl zu erwarten sind und deshalb nicht das Bedürfnis nach einer vorausschauenden förmlichen Bauleitplanung im Außenbereich auslösen. Als Privilegierungstatbestand ist § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB kein geeignetes Instrument, im Außenbereich Bau- oder Nutzungswünsche zu steuern, die "Vorbildwirkung" für weitere gleichartige Wünsche haben.
Etwas Anderes gilt allenfalls dann, wenn an den mit dem Vorhaben verbundenen Zielsetzungen ein überwiegendes Allgemeininteresse besteht, das die Anerkennung einer Privilegierung im Sinne einer Bevorzugung gegenüber anderen ebenfalls auf die Verwirklichung von Freizeitgestaltungswünschen abzielenden Interessen auch mit Blick auf den Gleichheitssatz rechtfertigt.
So hat beispielsweise das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 27.09.1978 – VII A 1849/75 – (BRS 33 Nr. 68) ausgeführt, dass ein Hundeausbildungsplatz (hier: Trainingsgelände und Dressurgelände für Schäferhunde eines Vereins sowie für Polizeihunde und Zollhunde) im Außenbereich privilegiert und ein Gebäude, das im wesentlichen Hundeboxen enthält und neben der Unterbringung von Gerätschaften auch den Hundeführern, Helfern usw. als Witterungsschutz und zum Waschen und Umkleiden dient, für die Zwecke eines größeren Hundeausbildungsplatzes erforderlich sein k a n n.
Man muss an dieser Stelle allerdings berücksichtigen, dass die Entscheidung des OVG NRW v o r den genannten Grundsatzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts getroffen wurde.
In seinem Beschluss vom 04.07.1991 – 4 B 109.91 – (BRS 52 Nr. 79) hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts klar gestellt, dass Hundesportplätze, die der Erholung und Freizeitgestaltung eines bestimmten Personenkreises dienen, nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB (jetzt: § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB) im Außenbereich privilegiert sind.
Zur Verdeutlichung kann auch das – nicht aus der Hundehaltung stammende - Beispiel herangezogen werden, das dem bereits genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.09.1999 zugrunde lag.
Eine wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung im Außenbereich errichtete Almgaststätte für Skiläufer und Wanderer in einem Ski- und Wandergebiet, die nur im Winter geöffnet hatte, sollte auf einen ganzjährigen Betrieb umgestellt werden, der zusätzliche Gäste (Auto- und Bustouristen) anziehen würde. Diese Umstellung war als Nutzungsänderung baugenehmigungspflichtig, konnte aber nicht genehmigt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Privilegierungsrahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB überschritten wird, wenn der Gaststättenbetrieb in einem Ski- und Wandergebiet nicht auf die Versorgung von Skifahrern und Wanderern zielt oder durch "Gastronomie für Wanderer" geprägt wird, sondern darauf ausgerichtet ist, die besondere Erholungseignung des Standorts auszunutzen, um die Nachfrage von anderen Gästegruppen, etwa Autofahrern, Busgesellschaften oder (sonstigen) geschlossenen Gesellschaften, zu befriedigen oder gar erst zu erzeugen. Die von den Klägern angestrebte uneingeschränkte gastronomische Nutzung der "Alm" würde nicht mehr der Betriebsform eines "Versorgungsstützpunkts für Skifahrer und Wanderer", sondern einer gewöhnlichen ("normalen"), durch ihren Standort begünstigten Gaststätte für Auto- und Bustouristen entsprechen.
Mit freundlichem Gruß
Jens Bebensee
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Zuletzt geändert am 20.08.2010 um 10:26:30 von Jens Bebensee.
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