Lieber Ben,
die für eine Ansteckung mit HIV nötige Menge Speichel wird auf bis zu 20 Liter geschätzt. Genau zu sagen ist es nicht, da es keine Infektionen auf diesem Weg gibt, die beobachtet hätten werden können. Halten wir fest, dass die Virenkonzentration im Speichel nicht reicht für eine Übertragung. Damit ist auch schon zu den Zungenküssen das Wichtigste gesagt, wobei kleine Wunden im Mund, die bluten, nichts zu ändern scheinen, da durch den permanenten Speichelfluss ein Speichel-Blut-Gemisch entsteht, in dem die Virenkonzentration sicherlich zu niedrig für eine Ansteckung ist. Es ist auch kein derartiger Fall einer Infektion beim Küssen bekannt geworden. Bei größeren Wunden im Mund (z. B. ein frisch gezogener Zahn) ist eine Übertragung durch den stärkeren Blutfluss denkbar, aber bisher ebenfalls nicht bekannt geworden – ich nehme an, dass die Betroffenen in der Situation keine Lust auf Küssen verspüren.
Auch beim Cunnilingus (lecken an der Scheide einer Frau) ist bisher keine HIV-Infektion bekannt geworden. Die Scheidenflüssigkeit enthält zwar möglicherweise HIV in einer für eine Ansteckung ausreichenden Menge, aber offenbar wird dabei nicht genügend davon aufgenommen, ich nehme an, weil auch hier der permanente Speichelfluss eine ständige Verdünnung bewirkt. Wenn Sie mit der Zunge sehr lange und sehr tief eindringen und / oder menstruationsbedingt Blut im Spiel ist, wäre eine Ansteckung theoretisch denkbar, aber mir ist weltweit kein Fall bekannt, wo es passiert wäre. Ein weiterer Hinweis, dass Cunnilingus wohl nicht infektiös ist, ist die Tatsache, dass bei Frauen, die Frauen lieben, mir auch keine Fälle sexueller Übertragung bekannt sind.
Leider gilt dies nur für HIV. Sie müssen davon ausgehen, dass es eine ganze Reihe von sexuell übertragbaren Krankheiten und Infektionen gibt, die beim Küssen weitergegeben werden können. Dazu gehören auch die Hepatitis B und die Syphilis als potentiell besonders folgenreiche Infektionskrankheiten. Die Hepatitis C ist wohl nicht zu den sexuell übertragbaren Erkrankungen zu rechnen, da aber ca. 40 % aller Infektionen mit dem HCV vom Infektionsweg her nicht geklärt sind, ist dies mit einem gewissen Vorbehalt zu sehen.
Auch für Oralsex, egal ob passiv oder aktiv (Fellatio oder Cunnilingus aus Ihrer Sicht) gilt, dass Hepatitis B und Syphilis übertragen werden können und auch eine Reihe weiterer Geschlechtskrankheiten.
Grundsätzlich sind viele der sexuell übertragbaren Krankheiten und Infektionen nicht allzu gefährlich und von daher auch nicht so akribisch erforscht wie HIV, so dass für einige Erreger die Frage der oralen Übertragung nicht eindeutig geklärt ist. In den meisten Fällen bemerken Sie jedoch die Infektion, wenn Sie Veränderungen am Penis sehen, Geschwüre entstehen, es juckt oder komisch bzw. ungewöhnlich riecht oder aber beim Urinieren brennt.
Sie finden eine kleine Übersicht dieser Krankheiten im Internet unter
http://www.sexsicher.de
Zuletzt eine Empfehlung: Lassen Sie sich gegen Hepatitis A und B (geht kombiniert) impfen, dann haben Sie diese Möglichkeit von Infektionen mit großer Sicherheit ausgeschaltet.