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Thema: Befreiung von örtlichen Bauvorschriften

Autor Beitrag
 Verfasst am: 23.02.2007 11:53:21 Titel: Re: Befreiung von örtlichen Bauvorschriften
Sehr geehrter Herr Hänel,

ich möchte mit Ihrer Frage, wie Sie sich als Anwohner gegen das Verhalten des Bauherrn wehren können, beginnen und muss leider auch ein wenig ausholen. Denn die Antwort auf diese Frage ist mit entscheidend für die Beantwortung der übrigen Fragen.

Es gibt zwei Rechtswege, einerseits den privaten (Schiedsstellen, Amtsgerichte usw.) und andererseits den öffentlich-rechtlichen (Behörde, Verwaltungsgericht usw.). Wenn Sie den öffentlich-rechtlichen Rechtsweg beschreiten wollen, dann setzt dies voraus, dass Ihre vom Gesetz geschützten Nachbarrechte (= Eigentumsrechte) berührt werden. Nicht jede Norm des öffentlichen Baurechts soll die Nachbarn schützen (BVerwG, Urt. v. 19.09.1986 – 4 C 8/84 – NVwZ 1987, S. 409-410). Manche Normen einschließlich einiger Festsetzungen in einem Bebauungsplan dienen nur dem öffentlichen Interesse wie z.B. dem Naturschutz, dem Städtebau usw.

In einem Bebauungsplan sind z.B. diese Festsetzungen regelmäßig nachbarschützend:

- Art der baulichen Nutzung – s. §§ 2-14 Baunutzungsverordnung (BauNVO) - http://bundesrecht.juris.de/baunvo/
- Festsetzung der offenen Bauweise - § 22 BauNVO – (nur gegenüber dem unmittelbar angrenzenden Nachbarn)
- Festsetzung seitlicher Baulinien oder Baugrenzen - § 23 BauNVO (nur wenn mit den Abstandflächen der Landesbauordnung identisch oder diese unterschreitet)

Andere Festsetzungen sind in der Regel nur dann nachbarschützend, wenn dies im Bebauungsplan ausdrücklich so erwähnt wird oder wenn deutlich wird, dass die Festsetzung zum Schutze der Nachbarn in den Bebauungsplan aufgenommen wurde. Nähere Informationen dazu und zum Thema Nachbar/ Nachbarschutz können Sie hier nachlesen:
http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.php?bereich=5&bid=111 - nachbarschützende Vorschriften
http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.php?bereich=5&bid=110 - Nachbar
http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.php?bereich=5&bid=34 - Nachbarschutz

Erteilt die Behörde eine Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplanes nach § 31 Abs. 2 BauGB - http://bundesrecht.juris.de/bbaug/__31.html - , so müssen nachbarliche Interesse gewürdigt werden. Das bedeutet aber nicht, dass die Bauaufsichtsbehörde die Nachbarn in jedem Falle vor Erteilung einer Befreiung beteiligen muss. In einigen Bundesländern ist dies zwar so vorgeschrieben (z.B. in Baden-Württemberg), nicht aber in Schleswig-Holstein (vgl. § 77 LBO - http://sh.juris.de/sh/gesamt/BauO_SH_2000.htm#BauO_SH_2000_P77 ).

Als Eigentümer eines benachbarten Grundstückes können Sie die Baugenehmigung und die genehmigten Bauzeichnungen bei der Bauaufsichtsbehörde einsehen. Wenn Sie der Meinung sind, dass die Baugenehmigung so, wie sie erteilt wurde, Ihre Rechte als Nachbar verletzt, können Sie gegen die Baugenehmigung Widerspruch einlegen. Der Widerspruch muss schriftlich bei der Bauaufsichtsbehörde, die die Baugenehmigung erlassen hat, eingelegt werden. Als Nachbar sollten Sie sich so früh wie möglich – also sobald Sie für sich Beeinträchtigungen erkennen können – mit der Bauaufsicht in Verbindung setzen. Die Bauaufsichtsbehörde kann Sie auch dahingehend beraten, ob die von Ihnen wahrgenommene Beeinträchtigung gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt oder nicht, m.a.W. ob ein Widerspruch Sinn macht oder nicht.

Da im Widerspruchsverfahren nur geprüft wird, ob die Baugenehmigung richtig erteilt wurde, lohnt sich ein Widerspruch nicht, wenn der Bauherr abweichend von der Baugenehmigung baut. Wenn die Baugenehmigung richtig ist, der Bauherr sich aber nicht daran hält, oder wenn ein Bauherr ohne Baugenehmigung baut, dann können Sie bei der Bauaufsicht nur einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten stellen. Nähere Informationen dazu können Sie hier nachlesen: http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.php?bereich=1&bid=32

Wenn Ihnen die Bauaufsichtsbehörde mitteilt, dass keine nachbarschützenden Vorschriften durch das Bauvorhaben verletzt werden, dann bedeutet das nicht, dass nicht evt. andere Vorschriften verletzt werden. Die Bauaufsicht darf und wird Ihnen aus Gründen des Datenschutzes nicht mitteilen, ob sie bei anderen Verstößen gegen geltendes Baurecht etwas unternimmt oder nicht. Bei gravierenden Verstößen wird die Bauaufsicht aber im Regelfall im öffentlichen Interesse tätig.

Soviel zu den öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten. Nun zu Ihren Detailfragen.

Ohne die Bauvorlagen zu kennen, ist es sehr schwer, eine echte Auskunft zu geben. Wenn Sie es noch nicht getan haben, dann empfehle ich Ihnen, die Bauvorlagen bei der Bauaufsichtsbehörde einzusehen. Denn es ist möglich, dass der Bauherr Sie zunächst für einen Befreiungsantrag hat unterschreiben lassen, dann aber festgestellt hat, dass er Ihre Unterschrift gar nicht benötigt. Wie oben erwähnt sind bei der Erteilung von Befreiungen nachbarliche Belange lediglich zu würdigen. Wenn der Bauherr also eine Befreiung von Festsetzungen eines Bebauungsplanes wünscht, die keine nachbarschützende Funktion haben, dann braucht er Ihre Unterschrift auf den Bauvorlagen nicht zwingend. Vielleicht hat der Bauherr auch umgeplant und benötigt gar keine Befreiung mehr ?

Es ist denkbar, dass in einem Befreiungsantrag nur die Überschreitung von 4 Höhenpunkten angegeben wird, tatsächlich aber mehr Überschreitungen vorhanden sind. Wenn 4 Eckpunkte angegeben werden, dann wird sich ein Mittelmaß für die dazwischen liegenden Flächen ergeben. Auch daraus könnte man dann die Überschreitung anderer Höhenpunkte ableiten. Ob das in dem speziellen Fall, den Sie beschreiben, so ist, kann ich ohne Kenntnis der Bauvorlagen und der Örtlichkeit natürlich nicht sagen. Grundsätzlich ist die Veränderung der Geländeoberfläche, insbesondere wenn Sie im Bebauungsplan festgesetzt ist, nachbarschützend. Nicht jede Veränderung der Geländeoberfläche führt aber dazu, dass ein Rückbau erfolgen muss. Das hängt letztlich von der Beurteilung im Einzelfall ab.

Maßgeblich für das, was gebaut werden darf, sind die genehmigten Bauvorlagen, also die Bauzeichnungen, die mit einem Stempel der Bauaufsicht markiert und Bestandteil der Baugenehmigung geworden sind. Im Baugenehmigungsverfahren kommt es immer wieder vor, dass ein Bauherr Bauvorlagen in Teilen oder vollständig austauschen muss. Das kann dazu führen, dass mehrere Varianten der Bauvorlagen in der Bauakte liegen. Aber noch einmal: Entscheidend ist das, was die Bauaufsicht abgestempelt und genehmigt hat. Diese Baugenehmigung soll auch auf der Baustelle vorliegen. Der Bauherr wird u.U. mehrere, nicht abgestempelte Bauvorlagensätze besitzen, weil je nach Art des Bauvorhabens mehrere Personen gleichzeitig mit den Bauvorlagen arbeiten müssen. Sollte es allerdings so sein, dass auf der Baustelle i n h a l t l i c h andere Pläne vorliegen, dann wäre das ein Indiz dafür, dass von der Baugenehmigung abgewichen wird.

Gegen Festsetzungen eines Bebauungsplanes darf nicht verstoßen werden. Ein Bebauungsplan ist eine Satzung und somit verbindlich. Es mag aber sein, dass von einigen Festsetzungen aufgrund von vorher beantragten und gewährten Ausnahmen oder Befreiungen abgewichen werden darf. Sollte ein Bauherr dies nicht im Vorwege geklärt haben, dann lässt sich dies in manchen Fällen nachholen.

Je nach Art der Festsetzungen des Bebauungsplanes kann es sein, dass ein Bauherr mehrere Baugrundstücke z.B. mittels einer Vereinigungsbaulast zusammenfassen kann, um dann ein insgesamt größeres Gebäude darauf zu errichten. Ein Bauherr kann auch im Grundbuch mehrere Grundstücke zu einem einzigen großen Grundstück verschmelzen. Auch dann ist je nach Art der B-Plan-Festsetzungen vieles möglich. Wenn die Gemeinde, die den B-Plan aufgestellt hat, zwar eine kleinstrukturierte Bebauung gewünscht hat, in den B-Plan aber keine Festsetzungen aufgenommen hat, die das garantieren (wie z.B. maximale Grundstücksgrößen), dann kann der „kolossartige Baukörper“ durchaus zulässig sein. Genauer müsste Ihnen das die zuständige Bauaufsichtsbehörde sagen können, die die Baugenehmigung erteilt hat.

Ich hoffe, ich habe Ihnen etwas weiterhelfen können.

Mit freundlichem Gruß
Larissa Bebensee



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Zuletzt geändert am 23.02.2007 um 12:24:24 von Larissa Bebensee.
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