Hallo Jörg,
Ihre Frage zielt ab auf die Regelung des § 6 Abs. 7 LBO 2009/2010, die man zunächst etwas „näher unter die Lupe nehmen“ muss:
Satz 1 der Regelung lässt in den Abstandflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandflächen folgende Anlagen zu:
1. Garagen,
2. Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten, die „öffentlichen Interessen dienen“,
3. sonstige Gebäude ohne Aufenthaltsräume,
4. gebäudeunabhängige Solaranlagen mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 2,75 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m,
5. Stützwände und geschlossene Einfriedungen in Gewerbe- und Industriegebieten, außerhalb dieser Baugebiete mit einer Höhe bis zu 1,50 m.
Satz 2 schränkt die Zulässigkeit der in Satz 1 genannten „Gebäude“ ein, soweit sie den (Mindest-)Abstand zur Grundstücksgrenze von 3 m unterschreiten. Von dieser Einschränkung betroffen sind nur die Nummern 1 bis 3, weil die in den Nummern 4 und 5 genannten Anlagen den Begriff des Gebäudes nicht erfüllen (siehe dazu die Legaldefinition im § 2 Abs. 2 LBO sowie die Erläuterungen in unserem Baulexikon unter ->
http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.html?bereich=3&bid=121).
Eingeschränkt werden in dem 3-m-(Mindest-)Abstandsbereich zur Grundstücksgrenze
-> die Gesamtlänge (d. h. inkl. Dachüberstand) an den jeweiligen Grundstücksgrenzen des Baugrundstücks auf maximal 9 m (Satz 2 Nr. 1) und
-> die mittlere Wandhöhe über der an der Grundstücksgrenze festgelegten Geländeoberfläche (das ist im Regelfall die „natürliche Geländeoberfläche“, also der „gewachsene Boden“ vor der Baumaßnahme, vgl.
§ 2 Abs. 3 Satz 3 Habsatz 2 LBO) auf maximal 2,75 m (Satz 2 Nr. 2).
Satz 3 bestimmt schließlich, was in den „sonstigen Gebäuden ohne Aufenthaltsräume“ im Sinne des Satzes 1 Nummer 3 zulässig ist.
Zum besseren Verständnis hier der Link zu einer schematischen Übersicht über den § 6 Abs. 7 LBO 2009/2010:
->
http://www.kreis-stormarn.de/lvw/forms/5/53/Abstandfl_chen_zul_ssig_nach_Abs_7_2009_08_12.pdf.
Der Link ist übrigens auch auf unserer Homepage
-> im Lexikon unter „Abstandfläche“
(siehe ->
http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.html?bereich=1&bid=7 ) sowie
-> unter „Formulare & Dokumente“
(siehe ->
http://www.kreis-stormarn.de/service/lvw/formulare/index.html?fb=9&fd=15 )
hinterlegt.
Nun zu Ihrer Frage:
Die nachbarschützende Vorschrift des § 6 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 LBO beschränkt die G e s a m t länge der in Satz 1 Nummern 1 bis 3 genannten Gebäude im 3-m-(Mindest-)Abstandsbereich zur Grundstücksgrenze auf 9 m.
Dass die Längen der in Satz 1 Nummern 1 bis 3 genannten Gebäude addiert werden müssen und in der Summe nicht mehr als 9 m betragen darf, kann indirekt auch aus der Brandschutzbestimmung des § 31 Abs. 1 Nr. 1 LBO abgelesen werden, die als Spezialvorschrift Vorrang vor der allgemeinen Vorschrift des § 6 LBO hat (siehe dazu auch den Verweis im § 6 Abs. 2 Satz 1 LBO). Danach benötigen u. a. Kleingaragen e i n s c h l i e ß l i c h Abstellräumen mit nicht mehr als 20 m² Grundfläche ausnahmsweise im 2,50-m-Grenzbereich keine Brandwand.
Die 20 m² Grundfläche von Abstellräumen findet man übrigens auch wieder im § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 sowie im § 13 Abs. 3 der Garagenverordnung – GarVO - (siehe ->
http://www.kreis-stormarn.de/service/begriffe/index.html?bereich=3&bid=292 ).
Bei einer Kleingarage mit Abstellraum muss der notwendige Einstellplatz für ein Kraftfahrzeug mindestens 5 m lang sein (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 GarVO), so dass für den Abstellraum nur noch maximal 4 m Länge in Betracht kommen kann.
An Rechtsprechung habe ich zu dem Thema „auf die Schnelle“ nur ein Urteil der 8. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 12.10.2009 – 8 A 67/08 – gefunden, das beispielsweise in Juris und in Beck-Online nachgelesen werden kann:
Leitsatz:
„…Der betroffene Nachbar kann die (teilweise) Beseitigung einer an sich verfahrensfrei/genehmigungsfrei zulässigen Grenzgarage verlangen, wenn auf dem Vorhabengrundstück bereits eine - teilweise rechtswidrige - Grenzbebauung vorhanden ist, die das zulässige Höchstmaß von 9 m überschreitet, gegen die der Nachbar aber aus Gründen der Verwirkung nicht mehr vorgehen kann…“
Aus dem Inhalt:
„…Zwar weist der Beklagte zu Recht daraufhin, dass Grenzgaragen, sofern sie die gesetzlich festgeschriebenen Maße nicht überschreiten, formell genehmigungs- bzw. verfahrensfrei zulässig sind, dies besagt jedoch nichts über die materiell-rechtliche Zulässigkeit derartiger Bauvorhaben. § 6 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 LBO 2009 (bzw. § 6 Abs.10 Satz 2 Nr. 1 LBO 2000) beschränkt nämlich insoweit – auch und gerade zum Schutz der Nachbarn – die zulässige Grenzbebauung auf eine Gesamtlänge von 9,00 m an jeder Grundstücksgrenze. Diese Gesamtlänge ist jedoch im vorliegenden Fall durch die vorhandene Bebauung (den als Aufenthaltsraum genutzten Anbau an das Nebengebäude mit ca. 7,70 m Länge und die 1970 genehmigte Garage mit einer Länge von 6,00 m) bereits deutlich überschritten. Insoweit spielt keine Rolle, dass § 6 Abs. 7 Satz 2 LBO 2009 (bzw. § 6 Abs. 10 Satz 2 LBO 2000) sich ausdrücklich auf „die in Satz 1 genannten Gebäude“, nämlich Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume bezieht, die Beigeladenen jedoch den formell und materiell rechtswidrigen Anbau an das ehemalige Nebengebäude zu Aufenthaltszwecken nutzen. Der Gesetzgeber macht insoweit nur deutlich, dass eine Grenzbebauung bereits dann als materiell rechtswidrig und nachbarrechtsverletzend anzusehen ist, wenn eine bloße Nutzung als Nebenanlage über das zulässige Maß hinaus erfolgt. Dies gilt aber um so mehr, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Nebengebäude ohne Aufenthaltsräume nicht nur bis an die Grenze erweitert wird, sondern darüber hinaus in einem weiteren Schritt dieses Nebengebäude auch noch einer, bei offener Bauweise im Grenzbereich in keiner Weise zulässigen Nutzung zu Aufenthaltszwecken zugeführt wird…
Ist aber das zulässige Gesamtmaß einer Grenzbebauung bereits überschritten, führt dies - unabhängig von einer formellen Verfahrensfreiheit - zur materiellen Rechtswidrigkeit weiterer Grenzbebauung…“
In Anbetracht dieser Rechtslage ist Ihr Fall äußerst problematisch. Wenn ich mir die Lage der Gebäude (Carport plus Kammer plus Gartenhaus) bildlich vorstelle, wird bei einem diagonal (in einem Winkel von 45 Grad) zur Ecke stehenden Gartenhaus die Gesamtlänge im 3-m-(Mindest-)Abstandsbereich zur Nachbargrenze mehr als 12 m betragen.
Wenn Sie das Vorhaben realisieren wollen, sollten Sie sich von dem/der zuständigen Sachbearbeiter/in der Bauaufsicht beraten lassen, ob das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist und ob und wie es ggf. bauordnungsrechtlich umgesetzt werden kann. Aus bauordnungsrechtlicher Sicht werden Sie ohne das Wohlwollen des Eigentümers Ihres Nachbargrundstücks vermutlich nicht weiter kommen. Zu prüfen wären die Übernahme einer Baulast auf das Nachbargrundstück (§§ 6 Abs. 2 Satz 3 und 80 LBO) oder die Möglichkeiten einer Abweichung nach § 71 LBO.
Wenn sich das Grundstück in unserem Zuständigkeitsbereich befinden sollte, finden Sie über den nachfolgenden Link Ihre/n Ansprechpartner/in:
->
http://www.kreis-stormarn.de/service/lvw/leistungen/index.html?lid=83
Mit freundlichen Grüßen
Jens Bebensee
---
Zuletzt geändert am 20.06.2010 um 14:10:17 von Jens Bebensee.